Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
waren. Das zweite Mal hatten sie sogar schon die Straße erreicht, bevor Mustafa sie mit einem neuen Angebot überfiel.
Schließlich war der Handel perfekt: fünf Kamele, zwei Packsättel und verschiedene andere Ausrüstungsgegenstände, die sie brauchen würden. Nach der gestöhnten Verkündung, daß der Endpreis ihn ruiniert habe, wies der Händler ihnen fröhlich die Richtung zur Karawanserei, wo die restliche Karawane die Nacht verbrachte.
In ihrer Verkleidung als Jalal hatte Juliet die Aufgabe des Hauptkamelführers zugewiesen bekommen, also kümmerte sie sich darum, die zwei Tiere zu satteln und zu beladen, die ihre Vorräte tragen würden. Nachdem das erste Kamel gesattelt war, zog Juliet den Gurt zweimal fester und zwang es dann nieder, um es beladen zu können. Ein Kamel dazu zu bringen, sich niederzuknien, war jedesmal eine anstrengende Prozedur. Zuerst verhakte Juliet ihre Finger in das Haar an der Kamelkehle. Dann zog sie daran, mit der anderen Hand am Seil über den Nüstern und trat das Tier gleichzeitig vors Schienbein. Das Kamel blökte protestierend, ging aber schließlich in die Knie. Ross beobachtete den Vorgang amüsiert. Bei einem Pferd hätte man von Mißhandlung gesprochen, bei einem Kamel war der grobe Umgang nötig, nur um seine Aufmerksamkeit zu erringen.
Als Ross eine Ladung Gepäck zu ihr herüberbrachte, fragte er aus dem Mundwinkel: »Wie habe ich mich beim Feilschen gemacht?« »Du hast ein paar Dinar mehr bezahlt, als ich es hätte«, antwortete Juliet, während sie zurücksprang, weil das Kamel den Kopf hob und eine beeindruckende Reihe Schneidezähne bleckte, »aber es war eine anständige Leistung bei einem alten Banditen wie Mustafa Khan.«
Ross grinste, während er sich auf das zweite Packtier zubewegte, um es zu satteln und in die Knie zu zwingen. Er und Juliet mußten vorsichtiger sein: keiner von beiden schien der Versuchung widerstehen zu können, Gedanken und irrelevante Bemerkungen auszutauschen. Es war unwahrscheinlich, daß jemand sie verstand, da sie Tamahak gemischt mit englischen Wörtern sprachen, aber es war dennoch nicht besonders klug, eine solche Vertrautheit zu demonstrieren. Ihr Abzug aus Mustafa Khans Hof verspätete sich, als das zweite Packkamel es schaffte, seine Ladung abzuwerfen, als es auf die Hufe sprang. Kaum überrascht seufzte Ross und machte sich daran, die ganze nervenaufreibende Prozedur von Niederzwingen und Beladen neu zu beginnen. Da Kamele sich praktisch darauf beschränkten, beim Abwerfen der Lasten Intelligenz zu zeigen, verlangte es großes Geschick, sie zu beladen, und Ross hatte seit einigen Jahren keine Übung mehr darin. In ein paar Tagen würde er den Bogen wieder raus haben.
Mit Juliets wortloser Hilfe bepackten sie das Tier erneut und machte sich dann auf den Weg zur Karawanserei, wobei sie die Tiere führten, denn die Strecke war kurz und die Straßen wurden immer belebter, je näher sie ihrem Ziel kamen. Eine Karawane im Ort zu haben bedeutete immer erhöhte Emsigkeit, denn Händler und Hausierer hofften, anständige Geschäfte zu machen, bevor der Zug wieder abreiste.
Lautes Gerede und Gelächter hallten durch die engen Gassen, und hier und da beleuchtete eine flackernde Fackel ein Gesicht in dem Menschengewimmel. Es war eine Gesellschaft von Männern, denn die wenigen Frauen, die sich auf der Straße befanden, waren so gründlich unter ihren Schleiern verborgen, daß sie fast unsichtbar schienen. Händler und potentielle Kunden feilschten, Geschichtenerzähler sprachen vor verzücktem Publikum, Schreiber schrieben Briefe für diejenigen, die es nicht konnten, Gerüche von Essen, Gewürzen und Dung erfüllten die Luft, und über allem lag das beißende Aroma von Rauch, als die fliegenden Händler ihre Kebabs über kleinen offenen Feuern brieten. Selbst mit geschlossenen Augen hätte Ross augenblicklich Zentralasien identifizieren können.
Obwohl Ross' Größe und sein bartloses Gesicht ein paar Blicke auf sich zogen, merkte er froh, daß niemand ungebührliches Interesse an ihm zeigte. Juliet zog mit ihrem Schleier und ihren wehenden, schwarzen Kleider schon mehr Aufmerksamkeit auf sich, aber es war eher Neugier als Mißtrauen oder Feindseligkeit. Über die großen Karawanenrouten von Asien und Afrika reisten viele Männer Tausende von Meilen, und so wurde »Jalal« nur als ein weiterer exotischer Reisender angesehen. Juliet, die größer als die meisten Männer in diesem Ort war, bewegte sich mit perfektem männlichem
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