Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Schwung und schien sich vollkommen in ihrer Umgebung zu Hause zu fühlen. Wenn Ross ihr in einem Tuareg-Lager in der Sahara begegnet wäre, hätte er niemals ihre wahre Identität erraten.
Wenn sie einmal unterwegs waren, würden die Rationen spartanisch, also beschloß Ross, daß sie heute gut und reichlich essen sollten. Während sie sich ihren Weg durch die Menge drängelten, erwarb er Spieße von brutzelndem Hammelfleisch von einem Kebabverkäufer, fügte dann noch frisches Brot von einem Bäcker und süßes Backwerk von einem Konditor hinzu. Murad trug das Essen und wurde auch noch mit einem kleinen Sack Kohle für das Feuer beladen.
Karawansereien waren Unterkünfte sowohl für Männer als auch für Kamele, und es gab sie überall auf der Strecke zwischen dem Atlantik und China. Als Ross und seine Truppe durch das hohe Tor eintraten, stellten sie fest, daß diese auf die typische Art angelegt war: kleine Räume für die Reisenden und Ställe für die Tiere öffneten sich alle auf den großen Innenhof.
Die Karawanserei war ziemlich überfüllt, und so lagerten die Tiere auch unter offenem Himmel, während auf dem Hof zahlreiche kleine Feuer brannten, die nicht nur das Essen braten sollten, sondern auch zum Wärmen in der frostigen Kälte der Nacht gedacht waren. Die Mauern aus Lehm warfen die menschlichen Stimmen und das Gebrüll der Tiere zurück und machten die Karawanserei zu einer lauten, lärmenden Zuflucht. Reisende tranken Tee und tauschten an ihren Feuern Neuigkeiten aus, während fliegende Händler sich auf der Suche nach Kunden durch das Durcheinander drängten. Mindestens ein Dutzend Sprachen und Rassen waren auszumachen, darunter Hindus mit Turbanen, eine Gruppe Chinesen mit ihren langen schwarzen Zöpfen, die ihnen über den Rücken baumelten, und Araber, die ihre weißen Tücher auf dem Kopf mit schwarzen Kamelhaarkordeln befestigt hatten.
Über dem Büro des Verwalters hing eine Lampe, und Saleh ging hinein, um ihre Unterbringung für die Nacht eintragen zu lassen. Zum Glück gab es noch Platz, und man wies ihnen einen Verschlag im abgelegensten Winkel des Gebäudes zu. Nachdem sie ihr Gepäck in dem kleinen Raum untergebracht hatten, begann Murad, ein Feuer zu entfachen, Juliet legte die Kamele nieder, und Ross und Saleh machten sich auf die Suche nach dem Kafila-Bashi, dem Karawanenführer.
Während sie sich ihren Weg durch den überfüllten Hof suchten, dachte Ross darüber nach, daß Juliet ihn zu Recht gewarnt hatte, seine ritterlichen Instinkte zu unterdrücken. Es fiel ihm unendlich schwer, danebenzustehen und zuzusehen, wenn Juliet schwere Arbeiten verrichtete. Seine Vernunft sagte ihm, daß das Unsinn war: Wenn er nicht gewußt hätte, wer unter der Verkleidung steckte, hätte er niemals ihre Kompetenz in Frage gestellt, mit Kamelen und deren Lasten zu ringen. Sie war größer als Saleh oder Murad und - obwohl leichter gebaut - wahrscheinlich mindestens so kräftig. Nichtsdestoweniger sind alte Gewohnheiten hartnäckig, und Ross hatte einige Mühe, sie so zu behandeln, wie er mit Männern umgegangen wäre.
Das Grundproblem lag natürlich darin, daß er unmöglich vergessen konnte, wer sie war. Einfach unmöglich.
Der Kafila-Bashi hatte sein Büro in einem größeren Verschlag in der Nähe des Eingangs. Als Ross und Saleh eintraten, verhandelte der Karawanenleiter gerade mit dem Anführer einer Gruppe afghanischer Händler, die mit der großen Karawane mitreisen wollten. Nachdem sie die Bedingungen und die Marschordnung festgelegt hatten, entließ der Kafila-Bashi die Afghanen und wandte sich zu Ross und Saleh.
»Salam aleikum.« Er winkte ihnen, sich zu setzen. »Ich bin Abdul Wahab. Wie kann ich euch dienen?«
Nachdem Ross den Gruß erwidert und sich auf dem festgestampften Lehmboden niedergelassen hatte, musterte er den Kafila-Bashi,dessen Kleider und Gesichtszüge ihn als Usbeken auszeichneten. Er war ein breitschultriger Mann in mittleren Jahren mit verengten dunklen Augen und der Aura der unangefochtenen Macht eines geborenen Führers.
Ross stellte sich als Kilburn vor, danach Saleh. Dann machten sie die Bedingungen für ihre Gruppe ab, mit der Karawane zu reisen, die noch vor Tagesanbruch am folgenden Morgen losziehen würde. Ross hatte den Mann die ganze Zeit über eingeschätzt und beurteilt und traf schließlich eine Entscheidung. »Ich denke, du solltest wissen, daß ich ein Ferengi bin, ein Engländer.«
Abdul Wahabs Brauen hoben sich. »Für einen Ferengi
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