Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
eine ganze Menge mehr als nur praktisch: Er war eine Darstellung von Stamm und Kaste, von Mode und Persönlichkeit. Nach reiflicher Überlegung fand Ross, daß die afghanische Art am besten geeignet war. Afghanen waren oft hochgewachsen, so daß seine Größe weniger verdächtig war. Zudem waren sie wie die meisten Zentralasiaten Sunniten, Mitglieder der größten, orthodoxen Gruppe des Islam, während die meisten Perser Schiiten waren. Außerhalb ihres Landes wurden Schiiten oft schikaniert, manchmal sogar getötet. Am besten war es also, nicht wie ein Perser auszusehen, denn seine Sicherheit lag vor allem darin, keinerlei Aufsehen zu erzeugen.
Ross setzte die Filzkappe auf, dann legte er den langen Stoffstreifen in grobe Falten. Es war schon einige Jahre her, daß er einen Turban getragen hatte, der zudem noch auf Hinduart geschlungen war, aber seine Hände erinnerten sich noch an die allgemeine Wickeltechnik, und nach nur wenigen falschen Anfängen schaffte er es, den Stoff zu einem recht respektablen afghanischen Turban zu winden und festzustecken, der an einer Seite, dem Brauch gemäß, einen Zipfel herunterhängen hatte.
Juliet hatte ihn sogar mit einem kleinen Tiegel Surma versorgt. Obwohl seine Wimpern und Brauen dunkler waren als sein Kopfhaar, schienen sie für asiatische Verhältnisse doch noch zu hell, und Ross rieb sich vorsichtig etwas in seine Augenbrauen, nachdem er zuvor seine Lider geschwärzt hatte.
Danach inspizierte er seine Erscheinung, so gut es in dem kleinen Spiegel ging. Nicht schlecht, entschied er -es war nur schade, daß er keinen dunklen Vollbart hatte. Dennoch würde ihn niemand schon auf den ersten Blick als Ferengi identifizieren.
Genauso wichtig wie das Aussehen, aber weitaus schwieriger zu erreichen, war es, seine Denkweise der orientalischen Art anzupassen, damit er sich nicht mit Kleinigkeiten verriet. Aber er hatte es schon öfter, wenn auch in weniger kritischen Situationen tun müssen, und er würde es wieder schaffen.
Als nächstes schnitt er die Empfehlungsschreiben aus dem Futter seiner ehemaligen Jacke. Gut in geöltem Segeltuch verpackt, ließen sie sich leicht in den Chapan nähen. Schließlich wandte er sich seinen europäischen Kleidern zu und sortierte aus, welche Stücke er mit nach Buchara nehmen würde.
Dann war er endlich fertig. Während er sein Gepäck musterte, lächelte er freudlos. Die Reise durch die Karakum würde gefährlich werden, ihr Empfang in Buchara war ungewiß. Doch noch viel, viel schwieriger würde es werden, in nächster Nähe der einzigen Frau zu leben, die jemals Macht über ihn gehabt hatte. Und das, Gott mochte ihm helfen, hatte sie immer noch.
Kapitel 7
Das Kamel senkte den Kopf und brüllte Ross feindselig an. In der Annahme, es könnte ihn gleich anspucken, trat er rasch einen Schritt zur Seite und murmelte leise: »Ich finde dich auch ganz schön häßlich.«
Ein unterdrücktes Kichern ertönte hinter ihm. Dann hörte er Juliet mit leiser Stimme, die kein anderer außer ihm hören konnte, sagen: »Tatsächlich ist es für Kamelverhältnisse ziemlich hübsch.«
Ross verbiß sich ein Lächeln. »So eins wollte ich schon immer haben«, sagte er und reichte ihr die Zügel, damit sie es zu den anderen führen konnte, die sie zum Kauf ausgewählt hatten. Juliet hatte recht: Es war wirklich recht attraktiv, wenn man sich für Tiere erwärmen konnte, die aussahen, als hätte Gott sie an seinem freien Tag geschaffen.
Die Kamele der Mongolei und aus Turkestan waren von der zweihöckrigen Art, kleiner, stämmiger und struppiger als die Dromedare mit nur einem Höcker, die man in Nordafrika und Westasien fand. Die Zweihöckrigen waren perfekt an das zentralasiatische Klima angepaßt, in dem es sowohl extrem heiße als auch extrem kalte Zonen gab. Also hatte Gott offensichtlich gewußt, was er tat, als er die Huftiere in ihren unterschiedlichen Regionen ausgesetzt hatte.
Kurz darauf kam Juliet zurück, um Ross bei der Auswahl des letzten Kamels zu helfen, das sie für die Reise brauchen würden. Sie betrachteten einen übelgelaunten Hengst. Juliet knetete fachmännisch den Höcker und schüttelte dann den Kopf. »Nicht genug Fett. Der muß ein paar Monate auf die Weide. Würde wahrscheinlich die Strecke bis Buchara nicht überleben.«
Ross akzeptierte ihr Urteil. Er selbst hatte eine Menge Erfahrung mit Kamelen, Juliet aber noch mehr. Trotz der phänomenalen Zähigkeit der Tiere, waren sie in mancher Hinsicht seltsam empfindlich und
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