Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
mich selbst entwürdigt, und ich kann mir meine Ehre nur wiederverdienen, wenn du mich weiter für dich arbeiten läßt. Ich bitte dich, gib mir diese Chance.« Plötzlich traf Ross seine Entscheidung. Neben der Tatsache, daß er Murad mochte, hatte er das Gefühl, als könnte sich der junge Perser als nützlich erweisen, und Ross hatte gelernt, sich auf seine Gefühle zu verlassen, »Also gut, du kannst mitkommen. Nenn mich Kilburn und versuche, mich nicht als Ferengi zu sehen. Wenn wir sicher nach Serevan zurückkehren und du deine Arbeit gut gemacht hast, gebe ich dir einen Bonus über die Summe hinaus, die wir in Teheran ausgemacht haben.«
Murad verbeugte sich demütig. »Ich werde dir gut dienen, nicht für den Bonus, sondern um meiner Ehre willen.« Er beschenkte Ross mit einem bezaubernden Lächeln. »Obwohl ich das Geld nicht ablehnen werde. Du wirst es nicht bereuen, Kilburn.«
Ross hoffte inständig, daß sich das bewahrheiten würde.
Nachdem er Murad losgeschickt hatte, seine Habseligkeiten zusammenzupacken, sandte Ross einen Diener zu Juliet, der ihr mitteilen sollte, daß der junge Perser sie begleiten würde und daß sie von Anfang an ihre Rolle als männlicher Tuareg spielen mußte. Von Ross' Standpunkt aus war es um so besser, je früher sie sich in ihre Stoffbahnen hüllte. Wenn er nichts mehr von ihrem schönen Körper oder Gesicht sah, würde es ihm leichter fallen, sein unerwünschtes Verlangen unter Kontrolle zu halten. Bei der Rückkehr in sein Zimmer fand Ross seine neue Garderobe auf dem Bett liegen. Er untersuchte den Stoff und stellte zufrieden fest, daß die Qualität genau richtig war - weder zu teuer noch zu billig, so daß er verarmt erscheinen mußte. Aber schließlich war von Juliet zu erwarten, daß sie alles gründlich erledigte, selbst so kurzfristig. Lockere mehrbahnige Stoffe wurden überall in der islamischen Welt getragen. Obwohl es endlose Variationen gab, lautete die Faustregel, daß nordafrikanische Kleidung in der Regel einfacher war und meistens aus Gewändern bestand, die man über den Kopf ziehen konnte. Die Formlosigkeit war der Grund, warum Juliet sich so erfolgreich als Tuareg ausgeben konnte. Asiatische Kleidung dagegen neigte dazu, strukturierter zu wirken, und bestand gewöhnlich aus einem oder mehreren langen, lockeren Mänteln mit Ärmeln, die über eine Tunika oder Hemd und Hosen getragen wurden.
Ross zog sich seine europäischen Sachen aus und probierte die neuen. Zum Glück hatte Juliet es geschafft, eine weiße Untertunika aufzutreiben, die weit genug in den Schultern war, um ihm zu passen. Die beutelnden, grauen Hosen hätten etwas länger sein können, waren aber nicht so kurz, daß sie Bemerkungen provozieren würden. Ein grünschwarz gestreifter Mantel, den man chapan nannte, bedeckte Tunika und Hosen und fiel ihm bis zu den Knien. Er band diesen mit einer langen weißen Schärpe fest und vollendete seine Aufmachung schließlich mit einem gesteppten Mantel, der fast bis zu den Knöcheln reichte. Er war froh, daß die Sachen so bequem waren, denn er würde sie vermutlich den nächsten Monat über Tag und Nacht tragen.
Es überraschte Ross nicht, daß er kein Schuhwerk fand, denn seine Größe war definitiv nicht Durchschnitt auf diesem Kontinent. Wie auch immer, seine dunkelbraunen Stiefel fielen kaum auf und würden keine Aufmerksamkeit auf ihn ziehen, schon gar nicht in ihrem momentanen, abgetragenen Zustand. Unter dem Stapel Kleidung hatte ein herrlicher Krummdolch gelegen. Als er ihn aus der Scheide gleiten ließ, sah er, daß der Dolch nicht nur Dekoration, sondern eine tödlich geschliffene Waffe war, die benutzt werden wollte. Er warf den Dolch in den Beutel, in dem er schon sein Gewehr, die Pistole und ein Messer aufbewahrte. So ausgerüstet, kam er sich vor wie ein Räuber aus den Bergen. Aber mit etwas Glück würde er keine der Waffen benutzen müssen. Er hatte schon lange erkannt, daß der beste Kampf der war, der nicht ausgetragen wurde.
Endlich wandte Ross seine Aufmerksamkeit den Ellen weißen Musselinstoffes zu, der sein Turban werden sollte. Turbane waren höchst nützliche Kleidungsstücke: Sie schützten den Kopf sowohl vor Sonne als auch vor Kälte, saugten Schweiß auf und ließen sich über den Mund ziehen, um Staub und Sand abzuhalten. Und im Notfall hatte man genug Stoff, um einen ganzen menschlichen Körper einzuhüllen. Ja, der Turban diente häufig - makaber, aber praktisch - als Leichentuch.
Aber ein Turban war
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