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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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hatten seine Züge eine bezaubernde männliche Schönheit. Er war wirklich der bestaussehendste Mann, den sie je  kennengelemt hatte, selbst jetzt, da er etwas ungepflegt war und einen schwachen Schatten von Bartwuchs hatte. In den vergangenen Jahren hatte sein Gesicht ein härteres, charakteristischeres Aussehen angenommen. Und dennoch war noch die gleiche grundsätzliche Unauffälligkeit in seinen Zügen, die sie immer so an ihm geliebt hatte. Sie hatte soviel gehabt - und alles fortgeworfen.
    In einem plötzlichen Impuls beugte sie sich vor und küßte ihn auf die Mulde zwischen Kiefer und Halsansatz, so zart, daß ihre Berührung ihn kaum stören konnte. Feine Härchen kitzelten ihre Lippen, und sie spürte einen schwacher Geschmack nach Salz, als sie sich zurückzog.
    Der Kuß war ein Fehler gewesen, denn trotz ihrer Vorsicht veränderte Ross' Atmung sich, wurde schneller. Das langsame, ausgedehnte Liebesspiel in den frühen Morgenstunden war immer das schönste für sie gewesen. Früher . . .
    Heftig biß sie sich auf die Unterlippe, um die sinnliche Wärme zu verdrängen, die sich nun in ihrem Unterleib ausbreitete. Eher schnell als vorsichtig machte sie sich endgültig aus seinen Armen frei und rollte sich dann sofort herum. Hinter ihr seufzte Ross auf und bewegte sich immer noch schlafend ein wenig. Man mußte auch für kleine Wunder dankbar sein.
    Juliet wickelte den Schleier wieder fest um ihr Gesicht und wartete dann auf die Rufe zum morgendlichen Gebet. Doch auch die dicke Decke, die sie wie eine Rüstung um sich gezogen hatte, konnte die Wärme von Ross' Körper nicht ersetzen.
    Verzweifelt fragte sie sich, warum, zum Teufel, das Leben so kompliziert sein mußte.
    Durch die endlose Wüste ohne erkennbare Wege zu reisen, verursachte einen Zustand von fast meditativer Leere im Kopf, den die Araber kifnaimten. Ross genoß diese Augenblicke, in denen man sich absolut frei fühlte. Frei von allen Sorgen und Problemen!
    Es war später Nachmittag, und sie würden bald zum Rasten anhalten, also gähnte er herzhaft, glitt aus dem Sattel und begann, neben seinem Kamel herzulaufen. An einer Führleine mit seinem Reittier verbunden, ging eines der Packtiere hinter ihm.
    Inzwischen vier Tage in der Wüste unterwegs, hatte sich in der Karawane die übliche Routine eingespielt. Im Sommer würden die Reisenden am Nachmittag aufsitzen und die ganze Nacht durchreiten, um die tödliche Hitze zu vermeiden, doch da es noch Frühling war und das Klima gemäßigt, brachen sie stets vor der Dämmerung auf und hielten an, wenn es zu dunkeln begann. Die meisten Männer sprachen ihre Gebete während des Rittes, denn der Koran erlaubte das. Aber es gab auch welche, die so gläubig waren, daß sie absaßen, beteten und dann die Karawane wieder einholten.
    Es war notwendig, mindesten zwölf bis vierzehn Stunden täglich in Bewegung zu bleiben, denn Kamele schlenderten am liebsten mit einer Geschwindigkeit von nur zwei Meilen pro Stunde dahin. Die Tiere suchten ständig nach Futter, und obwohl die meisten Europäer bei einer Karawane an eine endlose, ununterbrochene Linie dachten, die sich durch die Wüste schlängelte, sah es tatsächlich so aus, daß die Kamele hierhin und dorthin liefen, damit sie jedes karge Büschelchen oder Hälmchen fressen konnten, was zu finden war.
    Ross wußte natürlich, daß dies so war, aber es ließ ihm jedesmal die Haare im Nacken zu Berge stehen, wenn ein Kamel aus der Reihe ausscherte. Denn falls in einem solchen Augenblick turkmenische Banditen zuschlugen, war es der Karawane praktisch unmöglich, sich zu verteidigen - die Räuber konnten sich in Ruhe ihre Opfer nacheinander vornehmen. Außer den modernen Gewehren, die er und Juliet bei sich hatten, bestanden alle Waffen im Zug aus Messern, Degen und einer Handvoll altmodischer Musketen.
    Wie auch immer - bisher hatte es keinerlei Anzeichen für Ärger gegeben. Zumindest nicht in Form von Räubern. Das Wetter war eine andere Geschichte: am zweiten Tag seit Sarakhs waren sie in einer fast undurchdringlichen Mischung aus Nebel und Staub aufgebrochen, die es ihnen in ihrer Dichte unmöglich gemacht hatte, Anhaltspunkte zu finden, so daß sie sich verirrt und stundenlang gebraucht hatten, um die ursprüngliche Reiseroute wiederzufinden.
    Erst als der Dunst sich verzogen hatte, war der Führer wieder in der Lage gewesen, sie auf den Weg zurückzubringen. Als sie am nächsten Morgen aufgewacht waren, war ihr Lager von einigen Zentimetern Schnee

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