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Wilder als der Hass, süsser als die Liebe

Titel: Wilder als der Hass, süsser als die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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machten, fragte sie: »Was willst du eigentlich tun, wenn du nach England zurückkehrst, Ross? Wahrscheinlich ist es notwendig, den Familienbesitz zu verwalten, aber ich kann mir vorstellen, daß du diese Auf-gäbe ziemlich langweilig findest.
    Und ganz sicher reicht es nicht, um all deine Energie zu absorbieren.«
    Er antwortete mit einigem Zögern: »Seit Jahren habe ich eine Idee im Hinterkopf, und zwar, ein Institut für orientalische Studien einzurichten. Ein Haus, wo Wißbegierige aus Ost und West sich treffen und Erfahrungen austauschen können. Ich hatte vor, etwas Derartiges aufzubauen, wenn ich nicht mehr würde reisen können. Und nun ist die Zeit gekommen,, wenn auch ein wenig früher, als ich erwartet habe.« Er warf einen Seitenblick auf seine Frau. Mit ihrem zügigen, federnden Gang konnte sie mühelos mit seinem mithalten. »Hast du von den neuen Eisenbahnen gehört, die jetzt überall in Europa gebaut werden?«
    »Ich habe darüber gelesen, aber es hörte sich eher wie eine vorübergehende Idee an. Ich kann kaum glauben, daß sich Leute so schnell fortbewegen können . .. oder wollen. Und bestimmt ist der Aufwand an Zeit oder Geld, den man für die neuen Strecken benötigen würde, untragbar.«
    »Es ist teuer, aber nicht untragbar. In den nächsten paar Jahren wird die Eisenbahn die Welt verändern«, prophezeite Ross.
    »Eines nicht allzu fernen Tages wird es nicht nur Strecken geben, die jeden Teil von Europa miteinander verbinden, sondern auch welche, die Asien und Amerika durchqueren. Die Welt wird immer kleiner, und in der Zukunft wird es immer wichtiger werden, daß sich die unterschiedlichen Völker verstehen. Und vielleicht könnte mein Institut einen geringen Beitrag dazu leisten.« Er hielt inne, als er bemerkte, daß es albern war, über eine vage Idee in seinem Kopf so viel zu sagen.
    »Das ist ein wundervoller Gedanke«, meinte Juliet warmherzig, »und niemand könnte besser ein solches Institut leiten. Du warst immer besonders gut darin, mit Leuten der verschiedensten Lebensweisen zu sprechen und sie dazu zu bringen, sich miteinander zu unterhalten.« Sie lachte leise. »Manchmal fand ich deine Fähigkeit, eine Sache von allen Seiten her zu betrachten, absolut enervierend, aber dein Sinn für Gerechtigkeit in dieser Hinsicht ist einer deiner besten Charakterzüge. Ich bin froh, daß du dein Talent für eine gute Sache einsetzen wirst.«
    Ross empfand lächerlichen Stolz über ihr Lob. Wenn es etwas gab, an das er sich bei seiner Frau sehr deutlich erinnern konnte, dann daran, daß sie sich niemals dazu erniedrigt hätte, etwas zu loben, was sie für eine unmögliche Idee hielt.
    Er warf ihr wieder einen Blick zu. Sie näherten sich jetzt der Karawanserei, und während er sie ansah, zog sie den Schleier vor ihr Gesicht und befestigte ihn. Dadurch schaffte sie Distanz zwischen ihnen, denn sie wurde wieder zu seinem Diener Jalal. Schweigend legten sie den Rest des Weges zurück.
    Eine Öllampe hing im Torbogen der Karawanserei, aber im Hof herrschte Stille, und die Feuer glühten nur noch rötlich. Hier und da schnaubte ein Kamel oder hustete ein Mann, doch niemand war noch wach. Sie hatten länger geredet, als Ross bemerkt hatte. Vorsichtig schlängelten sie sich durch das Gewirr der Schlafenden.
    Als sie an ihrem Verschlag ankamen, stand die Tür halb offen, und das schwache Licht reichte aus, um das Innere zu beleuchten. Der hintere Teil des kleinen Raumes War mit ihren Vorräten und dem Gepäck zugestellt und ließ gerade genug Platz frei, daß sich vier Personen auf ihren Matten niederlegen konnten. Murad und Saleh lagen  auf der linken Seite nebeneinander, rechts waren die zwei Decken für Ross und Juliet ausgerollt worden.
    Als Ross das sah, stieß er einen leisen Fluch aus. Warum, zum Teufel, hatte Saleh es nicht so arrangieren können, daß der ältere Mann neben Juliet schlief? Gleichzeitig sahen die beiden sich an. Es war ihm unmöglich, hinter ihrem Schleier ihre Miene auszumachen, aber er hatte keinen Zweifel, daß sie genauso verärgert war wie er. Die gelöste Stimmung, die zwischen ihnen geherrscht hatte, schwand und wurde durch ein Unbehagen ersetzt, das fast greifbar war.
    Nun, sie konnten es im Augenblick nicht ändern, wenn sie nicht unerwünschte Aufmerksamkeit erwecken wollten. Wortlos zog Ross sein Messer aus dem Beutel und legte es auf seine Matte. Obwohl es unwahrscheinlich war, daß eine Karawanserei überfallen würde, hatte er es sich vor langer Zeit

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