Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Händevoll Wasser ins Gesicht und über den Hals, um den gelben Staub fortzuspülen.
Es war ein hartes Spiel gewesen, und es wurde viel Lob ausgesprochen, aber Ross war der Held der Stunde, und jeder wollte ihm die Hand drücken oder einen Kommentar loswerden. Nein, nicht jeder. Während er noch eine Hand schüttelte, erkannte Ross plötzlich, daß nicht nur seine geistige Gesundheit erhalten geblieben war, sondern auch sein Sportsgeist, der ihm als Kind eingetrichtert worden war und in seinem Charakter einen fruchtbaren Nährboden gefunden hatte. Er blickte sich suchend nach seinem Hauptrivalen um. Du Assa stand nur ein paar Meter von ihm entfernt und war von seiner eigenen Anhängerschaft umringt. Ross trieb Rabat vorsichtig an, um niemanden zu verletzen, und bahnte sich seinen Weg auf seinen Gegner zu.
Dil Assa runzelte die Stirn in unverminderter Abneigung, als er Ross entdeckte. »Du hattest Glück, Ferengi.«
»Das ist wahr«, stimmte Ross zu. »Wenn ich nicht dieses herrliche Pferd gehabt hätte« - er streichelte Rabats schaumbedeckten Hals - »oder das Vorderbein nicht zufällig schwächer als der restliche Körper des boz gewesen wäre, dann hätte ich niemals gewinnen können.«
»Und dennoch freust du dich schadenfroh!«
»Überhaupt nicht.« Ross streckte seine Hand aus. »In meinem Land ist es üblich, nach einem hitzigen Wettbewerb seinem geschätzten Gegner die Hand zu drücken.«
Verdutzt und unsicher starrte der Turkmene auf die ihm dargebotene Hand. »Bin ich also dein geschätzter Gegner, Ferengi?«
»Aye.« Die Hand immer noch ausgestreckt, fügte Ross hinzu: »Ich habe übrigens einen Namen, weißt du? Ich heiße Kilburn. Und du, Dil Assa, hast es geschafft, mir meine Beherrschung so gründlich zu rauben, wie es mir noch nie im Leben passiert ist.« Der Turkmene brach plötzlich in schallendes Gelächter aus. »Dann habe ich heute zumindest einen kleinen Sieg errungen, obwohl es klüger gewesen wäre, dich in deinem Stumpfsinn zu belassen.« Er ergriff Ross' Hand und drückte sie kraftvoll. »Du reitest gut für einen Ferengi, Kilburn.«
Ross lachte und fühlte sich auf gewisse Weise genauso berauscht wie in dem Moment, als er die Ziege in den Kreis geschleudert hatte. »Zu sagen, daß ein Turkmene gut reitet, ist wohl genauso überflüssig wie festzustellen, daß die Sonne heiß brennt oder das Wasser Gottes Geschenk an seine Kinder ist.« Er ließ die Hand seines Gegenüber los. »Aber ich möchte dir sagen, daß ich das Spiel erlernte, während ich dir zusah . . . nämlich mit wilder Entschlossenheit und Freude daran.«
Dil Assa lächelte stolz und beugte sich aus dem Sattel, um Ross' Turban herunterzuziehen. Dann nahm er seine Wolfskappe ab und stülpte sie auf Ross' blondes Haar. »Wenn du jemals in der kalten Jahreszeit zurückkehrst, Kilburn, spielen wir wieder. Und, so Gott will, daß es geschieht, wirst du als Buskaschi-Meister reiten.« Nach diesen Worten entschied Ross, daß die verschwitzte, schmutzige Fellkappe alles übertraf, was Königin Victoria ihm hätte verleihen können.
Kapitel 13
Die Gefühle Juliets bei dem Buskaschi waren sehr gemischter Art gewesen. Obwohl sie die Begeisterung der Zuschauer nicht richtig geteilt hatte, konnte sie sie dennoch gut verstehen, denn die Erfahrung des Spiels war intensiv und dramatisch.
Gleichzeitig war sie froh gewesen, daß Ross sich nicht mit vollem Herzen hineingestürzt hatte. Auch wenn das Buskaschi vermutlich eher Prellungen als Todesfälle verursachte, bestand doch das ziemlich hohe Risiko, daß die Reiter stürzten und sich den Hals brachen oder von den anderen Pferden zu Tode getrampelt wurden. Zudem hatte diesmal die Gefahr bestanden, daß sich Dil Assa die Hitze des Gefechts zunutze machen würde, um sich des verhaßten Ferengi zu entledigen.
Dann waren Ross und Dil Assa aufeinandergeprallt, und durch den Körper ihres Mannes war ein Ruck gegangen. Ross war immer schon ein hervorragender Reiter gewesen und hatte mühelos alles bewältigt, was er in Angriff genommen hatte - Juliet wußte es. Dennoch hatte sie Schwierigkeiten gehabt, daran zu glauben, was sich dann vor ihren Augen abgespielt hatte. Ross war plötzlich wie einer der altnordischen Berserker gewesen, der sich durch nichts aufhalten ließ, um sein Ziel zu erreichen. Und wirklich - er hatte es geschafft. Ross hatte es allen gezeigt und das Baskaschi gewonnen! Juliets Herz hatte so laut gehämmert, daß es das Brüllen der Zuschauermenge fast übertönt
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