Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
wischen. Sofort griffen andere Hände nach der Ziege.
Wieder war es Dil Assa, dessen schwarze Augen in fieberndem Triumph glänzten, als er den Kadaver auf seinen Sattel zerrte. Sofort trieb er seinen Braunen an, um davonzujagen, doch Ross hatte sich schon aus dem Sattel gelehnt und überbrückte den leeren Raum zwischen ihm und dem Turkmenen, um erneut ein Hinterbein der Ziege zu packen. Seine Muskeln schmerzten, als er versuchte, die Beute zurückzuziehen, doch Dil Assa hielt es mit gleicher sturer Entschlossenheit am Vorderbein fest.
Die zwei Pferde donnerten Seite an Seite auf das Ziel zu, denn keiner der beiden dachte daran, dieses grausame Tauziehen aufzugeben. Andere Reiter kamen heran, gellende Schreie und Peitschenhiebe hagelten auf sie herab, doch Ross sah nur noch Dil Assa und die Beute, die er um jeden Preis haben wollte.
Um das gefährliche Patt zu lösen, hakte Ross ein Bein um die Hinterpausche seines Sattels und hängte sich dann in die andere Seite des Pferdes hinein, um mit seinem gesamten Körpergewicht die zusätzliche Kraft zu bekommen, die er brauchte. Und dann passierte es mit schockierender Plötzlichkeit: Die Ziege rutschte zu Ross hinüber, und er verlor sein kostbares Gleichgewicht. Fast stürzte er vom Pferd und unter die Hufe der anderen Reiter, doch einmal mehr bewahrte ihn das Sattelhorn davor. Als Ross sich selbst wieder hinaufhievte, sah er, daß ein Vorderbein der Ziege bei Dil Assa geblieben war, während der Restkörper in seinem Besitz war. Vor Wut kreischend, schleuderte Dil Assa das Bein nach seinem Rivalen und lehnte sich aus dem Sattel, um den Kadaver zu packen. Aber es war zu spät. Sie hatten den Kreis erreicht.
Als Ross die Reste des boz in den Kalkkreis warf, brausten Schreie von »Hallal Hallal!« aus der Menge der Zuschauer auf. Und dann wandelte sich der Jubelschrei schnell in »Kilburn! Kilburn!« um.
Ross riß einen Arm zum Sieg hoch, und die Menge geriet außer Rand und Band. Ein grausames, primitives Hochgefühl rauschte durch Ross' Adern. Obwohl er in der Schule oft genug Mannschaftssport mit Erfolg getrieben hatte, war noch kein Sieg so voller reiner, berauschender Befriedigung gewesen wie der, den er ganz allein errungen hatte. Rabat schien das gleiche Triumphgefühl zu empfinden, denn er stieg und tänzelte und warf den Kopf stolz auf und nieder.
Ross hatte sich vorher gemerkt, wo Juliet und Saleh gestanden und zugesehen hatten, und nun suchte er sie mit seinem Blick, denn er wollte instinktiv sein Hochgefühl mit ihr teilen. Es war leicht, sie auszumachen, denn sie wirkte groß und schwarz inmitten der Menge der buntgekleideten Turkmenen.
Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke. Ross spürte einen seltsamen Stich, aber die Entfernung war zu groß, um etwas aus ihren Augen zu lesen. Dann drehte sie ihren Kopf scharf zur Seite. Vielleicht war sie wütend, daß er sich nicht an seine Absicht gehalten hatte, sich ohne Risiko durch das Spiel zu lavieren. Was immer der Grund war - es reichte aus, um Ross in die Realität zurückzubringen. Als der Rausch abebbte, war er nur noch dankbar, daß sein Verstand noch intakt zu sein schien, obwohl er jetzt plötzlich bemerkte, wie erschöpft, zerschlagen und verschwitzt er war. Seine Brust hob und senkte sich in heftigen Atemzügen, und jedes Luftholen schmerzte in seinen Lungen.
Der Buskaschi-Meister kam von seinem Platz an der Seitenlinie zu Ross hinüber, um ein letztes Ritual zu vollziehen. Während es unmöglich war, in dem Lärm und dem Tumult seine Worte zu verstehen, so besagte sein strahlendes Gesicht doch genug, als er Ross einen kleinen Gegenstand in die Hand drückte.
Ross hatte gar nicht darüber nachgedacht, ob der Sieger etwas gewinnen würde. Er blickte hinunter in seine Hand und fand eine alte Goldmünze, für deren Besitz ein Archäologieprofessor in Oxford über Leichen gehen würde. So wie das griechische Profil auf der einen Seite aussah, konnte die Münze gut und gerne aus der Zeit Alexanders des Großen stammen. Nun war auch seine eigene Gelehrtenneugier geweckt, doch er hatte jetzt nicht die Zeit, seinen Preis genauer zu untersuchen. So nickte er einfach als Dank und schob sie in seine Tasche.
Nun, da der Wettbewerb offiziell vorbei war, begannen die Leute auf das Feld zu strömen und den Reitern zu gratulieren. Jemand bot Ross einen Messingkrug Wasser, und er nahm dankend an. Er legte den Kopf zurück und schüttete die Hälfte des Inhalts in seine Kehle, dann spritzte er sich
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