Wilder als der Hass, süsser als die Liebe
Krankenschwester zu schlüpfen, beruhigte sie und ermöglichte es ihr, ihn leidenschaftslos zu berühren, obwohl sie sich der Wärme seiner Finger nur allzu deutlich bewußt war.
Als sie mit der einen Hand fertig war und ihn losließ, strichen seine Fingerspitzen kurz über ihre Handfläche, und die sinnliche Empfindung war so intensiv, daß sie das Gefühl hatte, zu verbrennen. So weit zum Thema leidenschaftslos. Sie warf ihrem Mann einen mißtrauischen Blick zu, doch er unterhielt sich bereits mit Saleh und Murad, ohne auf sie zu achten. Die erotische Berührung mußte Zufall gewesen sein, doch sie gab acht, daß es kein zweites Mal geschah, als sie sich seiner linken Hand annahm,
Juliet krauste die Stirn, als sie sah, was unter dem Dreck und dem verkrusteten Blut war. Einige der Kratzer waren tiefer als vermutet, sie bluteten noch und mußten versorgt werden. Sie wandte sich an Murad, der das kleine Feuer gerade löschen wollte, das sie zum Teekochen während des Spieles gebraucht hatten. »Laß das Feuer.«
Verbranntes Haar war ein klassisches und effektives Heilmittel für kleinere Schnitte. Juliet hätte gerne ihr eigenes verwendet, doch es hätte ihrer Verkleidung kaum besonders gut getan, wenn sie ihre roten Strähnen unter dem Schleier hervorgezogen hätte. Also nahm sie ihr Messer und schnitt einen Büschel Kamelhaare von der dichtbewachsenen Unterseite des Tierhalses. Dann legte sie das Haar auf einen der Steine am Feuer, häufte ein Stück Kohle darauf und ließ es in einer durchdringend riechenden Flamme zu Asche verbrennen. Nachdem diese abgekühlt war, fegte sie sie in ihre Hand und eilte wieder zu Ross, der sie neugierig beobachtete. Juliet zerrieb etwas von der Asche und streute sie in die tieferen der Schnitte. Sofort vermischte sich das Blut damit.
»Interessant«, kommentierte er. »Ist das ein persisches Heilmittel?«
»Afghanisch«, antwortete sie, als sie die nächste Wunde behandelte. »Verbranntes Haar ist nur für kleine Wunden gut, aber es stoppt die Blutung und vermindert die Entzündungsgefahr. Man kann jedes Haar dafür nehmen.«
»Aufjeden Fall zivilisierter als Ausbrennen. Wo wir gerade davon sprechen . . . wie geht es deinem Arm?«
»Gut. Ich spüre schon fast nichts mehr«, erklärte sie wahrheitsgetreu, als sie mit Ross' Behandlung fertig war.
Der Ritt zurück nach Merw ging weitaus entspannter vor sich als der Hinweg. Ab und zu kamen Ansässige vorbei, die ihnen bewundernde Worte über das Spiel zuriefen, welches offenbar von jedem Mann in diesem Teil der Karakum gesehen worden war. Der Prozeß der Legendenbildung über Ross kam äußerst gut voran.
Der letzte Teil der Straße führte am Fluß von Merw entlang. Schmal und bewachsen wand er sich in trägen Kurven durch die Wüste, wobei seine grünen Ufer einen unstimmigen Kontrast zu der kargen Landschaft bildeten. Dann kamen sie an eine Stelle, wo sich ein kleiner Teich an ein paar Weidenbäumen staute, und Ross zügelte mit sehnsuchtsvollem Blick auf das Wasser sein Kamel. »Reitet ihr ohne mich zur Karawanserei«, sagte er zu den anderen und grinste spitzbübisch. »Ich komme später nach.«
Er stieg ab, entledigte sich seiner Stiefel, Hemd und Hut und sprang mit einem vergnügten Juchzen in den Fluß hinein.
Der Anblick von Ross' halbnacktem Körper machte augenblicklich alle Mühen, die Juliet sich zur Kontrolle ihrer ungewollten Lust auferlegt hatte, zunichte. Der Tag war bereits brennend heiß, doch sie spürte plötzlich ein Feuer in ihrem Körper, daß sie glaubte, ohnmächtig zu werden.
Ohne sich um Ross' Vorschlag zu kümmern, allein weiterzureiten, rief Murad begeistert aus: »Eine herrliche Idee, Kilburn. Wir kommen auch.« Er lenkte das Kamel, das er mit Saleh teilte, auf das Ufer zu. Dann ließ er das Tier niederknien, kletterte aus dem Korb und zog seine Kleider aus.
Auch Saleh schwang sich aus seinem Korb und streifte die Sandalen ab. Mit einem Blick auf Juliet, deren Kamel den anderen zum Fluß gefolgt war, schlug er vor: »Wenn du nicht schwimmen kannst, wate mit mir im flachen Wasser.«
Zögernd stieg Juliet ab. Sie spürte ein Fieber, das sie zu verbrennen drohte, und der Fluß lockte wie das Paradies selbst, doch es war undenkbar, zu ihrem Mann ins Wasser zu steigen. Ross sah herüber und spritzte neckend Wasser in ihre Richtung. »Ja, Jalal, dann kriegst du wenigstens nasse Füße.«
Wortlos schüttelte sie den Kopf. Es wäre das Beste gewesen, allein zur Karawanserei zurückzureiten, aber
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