Wilder Als Ein Traum
seine hohe Stirn rieb. »Sir Arjon Flenoy, Mylady.« Er machte eine derart schwungvolle Verbeugung, dass Brisbanes bombastischer Auftritt im Vergleich zu dem seinen beinahe stümperhaft gewesen war. »Ewig Euer ergebener Diener!«
»Was Euch sicher einiges kosten wird«, murmelte Colin, während er sich ebenfalls erhob.
Arjon stieß seinem Freund den ausgestreckten Daumen in die Brust. »Hört nicht auf diesen Schotten, Mylady«, sagte er. »Er ist nur deshalb böse, weil ich mein Schwert verkaufe, während er einzig für sein Seelenheil die Haut hinhält. Meine Herren zahlen immer gut, während der seine …« Sein normannisch-gälisches - sprich keltisches - Schulterzucken rief in Tabitha heftige Sehnsucht nach ihrer Mutter wach.
»Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Sir.« Unsicher,
ob sie einen Knicks machen oder ihm besser die Hand reichen sollte, tat Tabitha beides gleichzeitig.
Der Neuankömmling hob ihre Hand an seine Lippen. »Wo hat ein ungehobelter Klotz wie Colin nur eine derart entzückende Amazone aufgetan?«
Ehe Tabitha darauf etwas antworten konnte, erklärte Colin: »In Rogers Verlies. Sie saß dort ebenso grundlos wie ich.«
Tabitha sah ihn fragend an. Weshalb warnte er seinen Freund nicht vor ihr als einer hundsgemeinen Diebin? Sein Blick blieb unergründlich wie so oft.
»Hat Euch schon einmal jemand gesagt, was für wunderbare Zähne Ihr habt?« fragte Arjon, wobei er feuchte Küsse auf ihre Finger regnen ließ.
»Weshalb ich auch fantastisch beißen kann«, antwortete sie, entzog ihm ihre Hand und wischte sie am Hinterteil ihrer Pyjamahose ab.
Er lüftete eine seiner wohlgeformten Brauen. »Ein wirklich reizvoller Gedanke. Vielleicht ein wenig später?«
Das verführerische Blitzen in den sherrybraunen Augen des normannischen Ritters wäre vielleicht überzeugender gewesen, hätte er nicht geklungen wie Pepe, der Clown. Trotzdem lachte Tabitha, entzückt von seinem Charme.
Wieder einmal runzelte Colin schlecht gelaunt die Stirn. »Falls du irgendwann mit dem Geplänkel fertig wirst, Arjon, erreichen wir vielleicht noch vor Einbruch der Nacht unser Ziel.«
Die Miene seines Freundes wurde ernst. »Ich war gerade auf dem Weg dorthin, um dich ein wenig mit meiner Anwesenheit zu belästigen - als Cuthbert mir die Nachricht übermittelte, Roger hätte dich erwischt. Also habe ich mich zu deiner Rettung aufgemacht - kam jedoch zu dem Schluss, dass dir die Flucht gelungen war, da ich überall Brisbanes
Männer durch die Wälder schwärmen sah.« Er runzelte theatralisch die Stirn. »Ich fürchtete bereits, sie würden meiner habhaft; aber bei Anbruch der Dämmerung hat einer der Heralde ins Horn geblasen, und die Ratten sind zu ihrem Herrn zurückgeeilt.«
Collin blinzelte wegen des Windes, als er, wie Tabitha annahm, in Richtung der englischen Grenze sah. »Wahrscheinlich ist Roger auf seine Burg zurückgekrochen, weil er dort seine Wunden lecken will. Er hatte schon immer einen Hang zum Schmollen, wenn ihm jemand eine Abfuhr erteilte. Aber in ein, zwei Wochen hat er sich zweifellos wieder erholt.« Trotz seiner zuversichtlichen Worte schien Colin wegen Brisbanes unerklärlichem Rückzug beunruhigt zu sein. Doch er schüttelte seine düsteren Gedanken ab, schlug Arjon auf die Schulter und fragte: »Dann bist du mir also zu Hilfe geeilt? Du solltest besser auf deinen Ruf achten. Es bekäme deinen Finanzen sicher schlecht, wenn sich herumspräche, dass du deinen Hals auch gratis riskierst.«
Arjon setzte ein betrübtes Lächeln auf. »Für dich, mein Freund, würde ich alles riskieren, nicht nur meinen Hals.« Sein Lächeln wurde breiter, als er sich wieder an Tabitha wandte. »Diesem Mann hier verdanke ich mein Leben. Er ist mit gezücktem Schwert mitten in eine Horde mordlüsterner Ungläubiger geprescht, um mich aus ihren Klauen zu befreien. Ihr hättet ihn sehen sollen - er hat wie ein Löwe gebrüllt und sein Schwert blitzte in der Sonne wie die Klinge eines Berserkers. Es war ein Anblick, der alle Heiden in die Knie gehen ließ!«
Colin verdrehte die Augen. »Hört nicht auf ihn, Mylady. Arjon übertreibt bei seinen Berichten über meine Schlachtensiege beinahe ebenso wie bei seinen Erzählungen von seinen romantischen Eroberungen.«
Tabitha wusste nicht, ob sie von Colins Wagemut beeindruckt oder angesichts dieses neuerlichen Beweises dafür, wie leichtsinnig er sein Leben aufs Spiel setzte, erschüttert war. »Vielleicht leidet Sir Colin einfach an einem
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