Wilder als Hass, süsser als Liebe
sich trug. Es waren ein glattes Dutzend, angefangen mit dem Sultan und endend mit dem Kalifen der Turkmenen. All die Schreiber baten in unglaublich blumiger Sprache, daß der Emir ROSS’ Bitte mit Wohlwollen betrachten möge.
Der Nawab nahm die Dokumente an sich und machte dann eine Geste zu einer steinernen Bank an der Wand. »Wartet hier.«
ROSS setzte sich und kreuzte die Beine, wobei er für die Neugierigen einen leicht gelangweiiten Gesichtsausdruck aufsetzte, während Juliet sich ein paar Schritte entfernt in einem dunklen Aufbauschen schwarzer Gewänder an die Wand hockte.
Die Wartezeit war erstaunlich kurz - weniger als eine halbe Stunde später kam der Nawab zurück, um sie zu holen.
Unter den zornigen Blicken derer, die schon länger warten mußten, folgte ROSS seinem Führer aus dem Zimmer, Juliet mit dem Geschenk hinter ihm. Kurz darauf gelangten sie in das überfüllte Audienzzimmer. Zur Linken öffneten sich große Bögen zu einem Innenhof, der in seiner Blumenpracht leuchtete.
Höflinge, deren reichgemusterte Kleidung in ihrem Wert präzise abgestuft war, so daß man ihren Rang gleich erkennen konnte, warteten im Inneren neugierig darauf, was der Ferengi wohl tun würde.
Doch ROSS kümmerte sich wenig um seine Umgebung.
Schließlich war er nun nach viermonatiger Reise in unmittelbarer Nähe des Emirs Nasrullah, den man den brutalsten Herrscher in ganz Asien nannte. Der Mann, der seine eigenen Brüder und seinen Vater umgebracht hatte, um sich den Thron zu sichern, war um die vierzig Jahre alt, stämmig und trug einen schwarzen Bart.
Obwohl das Audienzzimmer prächtig ausgestattet war, trug er selbst schlichte Kleidung, die einem Mullah gestanden hätte.
ROSS zog seinen Hut vom Kopf, hielt ihn als englisches Zeichen des Respekts in der linken Hand und tat dann, was man ihm gesagt hatte. In Ermangelung eines Bartes, mußte er über sein Kinn streichen, doch seine Verbeugungen waren tief und schließlich rief er »Allah Akbar, Salaamat Padisha« mit voller, tönender Stimme.
Als er sich von seiner letzten Verbeugung aufrichtete, blickte er dem Emir direkt ins Gesicht. Nasrullahs Augen waren klein und ziemlich rund, und seine Wangenmuskeln zuckten heftig.
Nichtsdestoweniger besaß er eine Ausstrahlung der Macht, die ihm absolute Autorität verlieh, dazu eine seltsame, undefinierbare Aura, der ganz ihm eigen war. Man behauptete, daß seine vier persischen Frauen ihn haßten.
Mit hoher, schneller Stimme begann der Emir nun: »Ihr ehrt uns durch Eure Anwesenheit, Lord Kilburn. Seid Ihr in einer Mission der englischen Königin, unserer königlichen Schwester, gekommen?«
Nasrullah wußte sehr gut, warum sein Besucher gekommen war, aber ROSS spielte das Spiel mit. Er verbeugte sich noch einmal tief. »Nein, ich bin nicht in offiziellen Angelegenheiten gekommen, sondern um Eure großartige Barmherzigkeit für meinen Bruder, den britischen Major lan Cameron, zu erbitten.«
Der Emir hob seine Hand, bevor ROSS mehr hinzufügen konnte.
»Mir wurde gesagt, daß Ihr ein Geschenk für mich mitgebracht habt.«
»Es ist kaum Eurer würdig.« Juliet trat vor, und ROSS nahm die Pistolenkiste aus der Lederumhüllung und öffnete sie dann für den Emir. »Ich bitte Euch innig, Euch herabzulassen, diese lächerliche Gabe anzunehmen.«
Nasrullahs Augen weiteten sich in echter Freude, dann stieß er einen kleinen Seufzer aus, wie ein Kind, das endlich die lang ersehnte Süßigkeit erhält. »Exquisit.« Er nahm eine Pistole in die Hand und strich beinahe zärtlich mit den Fingern über die schimmernde Oberfläche.
»Kommt. Ich will sie ausprobieren.« Er erhob sich und rauschte gebieterisch aus dem Saal.
ROSS, Juliet und die Höflinge folgten ihm nacheinander. Im Innenhof war ein bezaubernder Garten angelegt, in dessen Zentrum ein Springbrunnen aus rosafarbenem Marmor plätscherte und schattige Palmen sich hoch über Beete leuchtender Nelken und Rosen erhoben. ROSS inhalierte tief und bemerkte den unterschwelligen Duft von Patschuli über dem Blütenaroma, und er nahm an, daß der Springbrunnen parfümiert war.
Über ihren Köpfen rauschten die Palmwedel und knisterten trocken, als Nasrullah anhielt und seinem Gast befahl, die Pistolen zu laden. ROSS war darauf vorbereitet gewesen, und so enthielt das Kästchen auch kleine Dosen Schwarzpulver und Bleikugeln.
Nachdem er eine abgemessene Ladung Pulver in den Lauf geschüttet hatte, stopfte er jeweils eine Kugel darauf, streute Zündpulver in die Pfannen und
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