Wilder als Hass, süsser als Liebe
bezweifelte er, daß es hier um Philosophie ging.
Der Garten war sehr weitläufig und verwinkelt, und als sie weit weg von möglichen Lauschern waren, verschwand das gelöste Gehabe des Nawabs plötzlich. Er wandte sich zu ROSS um und sagte heftig: »Ich konnte im Haus nicht frei sprechen, denn Buchara ist eine Nation von Spitzeln. Sklaven beobachten ihre Herren, Straßenjungen verkaufen Informationen an jeden, der ihren Preis zahlt, Ehemänner können nicht einmal im Bett mit ihren Gemahlinnen sprechen, ohne belauscht zu werden. Wie Ihr wißt, bin ich Perser und habe viele Feinde, denn viele sind eifersüchtig auf meinen Einfluß beim Emir. Aus diesem Grund muß ich doppelt vorsichtig sein, aber ich muß Euch unbedingt sagen, daß die Exekution Eures Bruders eine schreckliche Tat war. Major Cameron wurde ohne Sünde oder Verbrechen seinerseits ermordet.«
Als der Nawab seinen Gast forschend musterte, empfand ROSS
augenblicklich Mißtrauen. Sein Gastgeber mochte durchaus finden, daß die Exekution lans falsch gewesen war, aber er diente immer noch dem Emir, und es wäre ein möglicherweise verhängnisvoller Fehler, das zu vergessen. »lans Tod bekümmert mich sehr, aber aus dem, was Ihr gesagt habt, geht hervor, daß es doch eher ein Mißverständnis war als böse Absicht.«
»Ich habe versucht, die Meinung des Emirs zu ändern, ja, ich habe ihm sogar fünfzigtausend Dukaten geboten, wenn er Cameron freiließe, aber Nasrullah bestand darauf, daß der Major ein Spion war und als solcher sterben mußte.« Abdul Samut Khan seufzte einmal tief auf. »Ich bin kein reicher Mann, und eine solche Summe zu zahlen, hätte mich ruiniert, aber ich war sicher, daß die Königin mich reich belohnen würde, wenn mein Gold das Leben ihres Offiziers gerettet hätte. Findet Ihr nicht, daß sein Leben fünfzigtausend Dukaten wert gewesen wäre?«
»Ich halte es für unmöglich, einen Preis auf ein Leben auszusetzen, aber ich weiß, daß meine Regierung niemals eine solche Summe zahlen würde«, entgegnete ROSS bestimmt. »Es würde als Lösegeld angesehen, und es zu bezahlen, würde das Leben und die Freiheit jedes britischen Reisenden auf der ganzen Welt gefährden.«
Einen Augenblick lang riß der Nawab die dunklen Augen auf.
Dann verstand er die Argumentation. »Wenn die Königin es nicht bezahlt hätte, würde Camerons Familie es tun?«
ROSS schüttelte den Kopf; das Gerede über Geld ließ alle Alarmglocken in seinem Kopf schrillen. »Die Camerons sind eine Familie von altem Blut und großartigem Kampftalent, aber sie sind nicht vermögend. Selbst wenn sie es gewollt hätten, wäre es ihnen unmöglich gewesen, eine solche Summe aufzubringen.«
Abdul Samut Khan wirkte enttäuscht. »Aber Ihr seid ein Lord, und er war mit Euch verwandt. Gewiß hättet Ihr ihn doch für die Familie ausgelöst, so wie sie es für Euch getan hätten.«
ROSS nahm an, daß sie nun zum Kernpunkt der Sache gekommen waren. Der Nawab wollte wissen, was ROSS’ Leben wert war, also war es nun an der Zeit zu lügen. »Wenn ich gefangengenommen würde, wäre meine Familie tief betrübt, aber sie würden nicht versuchen, mich freizukaufen, denn für sie wäre mein Schicksal der Wille Gottes. Ich
bin nur einer von vielen Söhnen, und mein Vater würde es als ungerecht ansehen, meine Brüder für mein unwürdiges Leben zu ruinieren.«
Seine Worte mußten überzeugt haben, denn der Nawab seufzte in tiefer Enttäuschung. »Eine Schande.« Dann wurde seine Miene verschlagen. »Man behauptet, daß Nasrullah zuerst Gerechtigkeit und die Religion liebte, als er zum Emir wurde, doch schnell wäre er zu Grausamkeit und tanzenden Jungen übergegangen. Er ist eine Warze am Hintern Turkestans. Laßt die britische Regierung Offiziere nach Chiwa und Kokand entsenden und deren Khane überzeugen, nach Buchara zu marschieren. Wenn die Königin mir eine kleine Summe schenkt, vielleicht zwanzig-oder dreißigtausend Dukaten, dann werde ich, der Herr der Artillerie Bucharas, die Invasion unterstützen.«
Diese Rede machte ROSS nur noch achtsamer. Vielleicht wollte der Nawab ihn zu einer Indiskretion verlocken, vielleicht wollte er sich selbst aber tatsächlich an den Höchst-bietenden verkaufen - in jedem Fall konnte man ihm aber nicht vertrauen.
»Ich bin weder ein Vertreter meiner Regierung, noch bin ich gekommen, um eine Rebellion gegen den Herrscher von Buchara anzuzetteln. Ich wollte nur erfahren, was mit meinem Bruder geschehen ist, und das habe ich
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