Wilder als Hass, süsser als Liebe
.südlicher Richtung her und machte sich dann persönlich zum Samarkand-Tor auf.
Die Haupttore waren des Nachts nicht geöffnet, so daß der Verkehr durch eine kleine Seitentür geschleust werden mußte, welche nur stets einem Tier Platz bot. Aus diesem Grund hatte Shahid gehofft, daß ein paar Reisende der größeren Karawane noch innerhalb der Mauern waren, aber es war zu spät: Als er endlich das Tor erreichte, war das letzte Mitglied der Karawane nach Osten bereits hinaus. Dennoch waren die Zollbeamten, die Ladung und Passierscheine überprüften, noch an der Arbeit, und hartnäckige Fragen filterten schließlich die Information heraus, daß in der Karawane mehrere Personen gewesen waren, auf die Kilburns Beschreibung paßte.
Seit Shahid als Kind das Reiten gelernt hatte, war er ein Jäger gewesen, und sein ausgeprägter Raubtierinstinkt sagte ihm, daß Kilburn auf diesem Wege geflohen war. So pickte er sich die zwölf am besten ausgebildeten und am besten bewaffneten Männer heraus und setzte in die Nacht hinaus. Der Ferengi-Bastard konnte kaum mehr als eine Stunde Vorsprung haben, und wie schnell und wie weit auch immer er rennen mochte, Shahid würde direkt hinter ihm sein.
Das letzte Teilstück ihrer Vorausplanung rutschte makellos auf seinen Platz: Vier hervorragend gepflegte turkmenische Wüstenpferde warteten an der entfernten Hütte, die sie vorher ausgemacht hatten. Dort befanden sich auch die Gewehre und die Munition, die Juliet in der vergangenen Woche aus dem Versteck geholt hatte.
Was sie nicht erwartet hatten, war die Anwesenheit von Hussayn Käsern persönlich. Während Juliet das Verladen und Umsteigen auf die Pferde überwachte, pellte ROSS dankbar den piekenden, unbequemen Bart ab und sagte Julietta Lebewohl, die traurig blökte, als ob sie wüßte, daß sie ihren Reiter niemals wiedersehen würde. Mit einem letzten herzlichen Knuddeln ihrer langen Ohren wandte ROSS sich um und fand Hussayn hinter sich, der mit einem amüsierten Lächeln abgewartet hatte.
»Ich freue mich sehr, daß ich dir persönlich danken und Lebewohl sagen kann, Hussayn«, sagte ROSS nach der Begrüßung. »Was du getan hast, ist unbezahlbar.«
Der andere machte eine geringschätzige Geste. »Du hast mir meinen Vater zurückgegeben - es ist nur recht, daß ich dir helfe, deinen Bruder wiederzubekommen.«
»Du hast weit mehr für mich getan.« Ihm eine Bezahlung anzubieten, würde als Beleidigung ausgelegt werden, doch plötzlich fiel ROSS die alte griechische Münze ein, die er für den Sieg beim Buskaschi bekommen hatte. »Würdest du dies als Erinnerung an eine Reise nehmen, die ich niemals vergessen werde?«
Hussayn lächelte mit seinen weißen, gleichmäßigen Zähnen. »Ich möchte dies als Erinnerung an einen Mann nehmen, den ich nie vergessen werde.«
»Wenn und falls ich nach England zurückkehre, habe ich vor, ein Institut zu gründen, in dem Menschen aus der ganzen Welt sich treffen und lernen können, einander besser zu verstehen und zu respektieren«, erklärte ROSS zögernd. »Vielleicht wirst du mich eines Tages dort besuchen.«
Hussayn schüttelte den Kopf. »Das ist keine Reise, die ich unternehmen will, aber wer weiß? Vielleicht wird es mein Sohn tun, wenn er herangewachsen ist.«
Sie schüttelten sich ein letztes Mal die Hände. Dann schwang ROSS sich auf sein Pferd. Im Osten zeigte sich das erste Licht der Dämmerung. Wenn die Sonne ganz aufgegangen war, würden sie schon Buchara umrundet haben und auf dem Weg nach Westen sein. Gegen Mittag würden sie den Oxus überqueren.
Zum ersten Mal erlaubte sich ROSS zu glauben, daß dieser verrückte Fluchtversuch tatsächlich funktionieren würde.
Brüllend und unter Gewehrfeuer hielten Shahid Mahmud und seine Männer die Karawane nach Samarkand an und begannen, unter den fünfhundert Tieren und mehr als hundert Menschen nach dem Entflohenen zu suchen. Ein großer bärtiger Paschtun erlebte entsetzliche Minuten im Griff eines bucharischen Soldaten, bis der Jawer selbst bezeugte, daß der Verdächtige nicht Kilburn war.
Als die Sonne sich am Horizont erhob, sammelte Shahid alle Reisenden zusammen und drohte ihnen, alle als Komplizen zu verurteilen, wenn ihm niemand Informationen über den Ferengi-Spion und seine Leute geben konnte. Zögernd trat ein junger Kasache vor und berichtete, er habe ein Kamel und zwei Esel gesehen, die sich aus der Hauptgruppe gelöst hatten.
Das war genug, um Shahids Instinkt zu bestätigen. Der Ferengi würde um Buchara
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