Wilder als Hass, süsser als Liebe
herumreiten und - wie eine Tau-be zu ihrem Verschlag - lieber in Richtung Heimat ziehen, als tiefer nach Turkestan vorzudringen.
Shahid und seine Männer stoben im Galopp davon. Er sollte in der Lage sein, seine Beute zu erreichen, bevor sie den Oxus überquerten. Aber selbst wenn nicht, was machte es schon? Falls nötig würden er und seine handverlesene Truppe ihren Opfern bis in die Karakum folgen.
Wie ein Bluthund auf der Fährte, konnte Shahid nun nichts mehr aufhalten.
Kapitel 25
SELBST ZWÖLF ANSTRENGENDE, entbehrungsreiche Jahre in Persien hatten Juliet nicht auf die Flucht durch die Karakum vorbereiten können. Der glühendheiße Sand verstärkte die Sonne und wirkte wie ein Amboß, auf dem die gnadenlosen Strahlen auf ihre vergleichsweise schwachen Körper einhämmerten. Ohne die Kühlung des »Windes der hundert Tage« wäre die Durchquerung der Karakum ganz unmöglich gewesen.
Aber der Wind konnte auch ein Feind sein, denn der Sommer war die Zeit der Sandstürme. Mehrmals pro Tag verlangsamten wirbelnde Sandwolken ihr Fortkommen und verstopften ihre Lungen, auch wenn sie nicht mehr einen so grausamen Sturm wie auf der Hinreise erlebten.
Nachdem sie den Oxus überquert hatten, waren sie vierundzwanzig Stunden geradeaus geritten, bis die Erschöpfung sie zwang, unter mit gespannten Decken improvisierten Zelten auszuruhen. Doch auch dann machte die glühende Hitze echten Schlaf unmöglich.
Als die Sonne sich dem Horizont näherte, stiegen sie wieder auf und ritten durch die Nacht und den nächsten Morgen, bis sie gegen Mittag eine schwache Quelle erreichten. Das wenige Wasser in dem Brunnen reichte nicht aus, um ihre Schläuche zu füllen, also mußten sie einige Stunden
pausieren, bis mehr Wasser aus dem tiefen Sand in das Loch tröpfelte. Danach ritten sie weiter.
Die Wahl der zweiten Strecke durch die Wüste war gut gewesen, denn nachdem sie über dem Oxus waren, hatten sie keine anderen Reisenden mehr gesehen. Geführt durch Kompaß, Sterne und Murads sorgfaltig gesammeltes Wissen, suchten sie sich ihren Weg durch die markierungslosen Weiten. Obwohl sie den weichesten Sand vermieden, der die Pferde nur bremsen würde, waren bald Mensch und Tier mit dem staubigen Gelbbraun eingehüllt, welches die typische Farbe des sommerlichen Zentralasiens war.
Am dritten Tag war Juliet überzeugt, daß sie nicht mehr verfolgt wurden. Dennoch kletterte ROSS bei ihrer mittäglichen Rast auf einen Hügel und suchte mit seinem Fernglas die Gegend ab, ob auch wirklich niemand in der Nähe war. Sogar zu erschlagen, um zu schlafen, gesellte sich Juliet zu ihm, denn es würde ihr Entspannung bringen, ein paar Minuten mit ihrem Mann allein zu sein.
ROSS saß im Schatten eines Felsvorsprungs und starrte auf die vor Hitze flirrenden Hügel, sein Fernglas müßig in den Schoß gelegt.
Juliet wußte, daß er am wenigsten Schlaf von allen bekommen hatte, denn während sie Rast machten, hielt er stets so gut wie möglich Wache. Nun brachte er trotzdem ein müdes Lächeln zustande, als sie sich neben ihn setzte. »Wie geht es dir?«
»Ganz gut.« Sie seufzte und löste ihren Tagelmoust, um den Wind auf ihrem Gesicht zu spüren. »Aber wenn ich zu Hause bin, werde ich in der ersten Woche nichts weiter machen, als mich vom Bett zum Hammam und wieder zurück zu schleppen.«
Es gab nicht genug Wasser zum Rasieren, aber trotzdem war ROSS
immer noch der attraktivste Mann, den Juliet je gesehen hatte. In dem Bedürfnis, ihn zu berühren, legte sie ihre Hand über seine, die auf seinem Schenkel ruhte. Augenblicklich drehte er seine Hand um und verschränkte die Finger mit ihren. Frieden und Trost schienen aus ihren vereinten Hände zu strahlen, und ihr müder Verstand freute sich unendlich darüber, daß ein so simpler Kontakt so befriedigend sein konnte, wie Wasser in der Wüste erfrischend ist.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, sagte ROSS. »Die Hälfte haben wir schon.«
Sie saßen schweigend da und genossen den Augenblick der Nähe, bis Juliet feststellte: »Es ist interessant, daß lan der einzige von uns ist, der kräftiger statt schwächer wird. In der ersten Nacht, als du ihn auf sein Pferd binden und es führen mußtest, hatte ich Angst, daß er den Ritt nicht überleben würde.«
»Statt dessen hat er gegessen, was er konnte, wie ein Toter geschlafen, als wir rasteten, und ist aufgewacht, um sein Pferd selbst zu lenken. Er hat unglaubliche Kraft, sonst hätte er im Schwarzen Brunnen gar nicht überlebt.« ROSS
Weitere Kostenlose Bücher