Wilder als Hass, süsser als Liebe
zwinkerte ihr zu.
»Zweifellos würde lan behaupten, der Kerker sei eine hervorragende Vorbereitung auf eine entbehrungsreiche Reise.«
Juliet drückte seine Finger. »Ich habe fast Angst, es laut auszusprechen, aber es sieht ganz so aus, als hätten wir das Unmögliche geschafft. Und so ungern, wie ich es zugebe, Mutters Intuition stimmte.«
»Was geschieht, wenn wir Serevan erreichen?« fragte ROSS vorsichtig.
Juliets kurzes Wohlbehagen verschwand. »Ich weiß es nicht«, gab sie mit einer Stimme zu, die kaum hörbar war.
»Ich auch nicht.« ROSS ließ ihre Hand los und nahm das Fernglas, um den Horizont abzusuchen. Dann hielt er das Glas auf einmal ruhig und runzelte die Stirn.
»Siehst du etwas?« fragte Juliet.
»Eine Staubwolke, die mehr nach Reitern aussieht als nach einem Sandsturm.« Er reichte ihr das Glas. »Was glaubst du?«
Sie ließ sich Zeit und versuchte, Details gegen die Weite des Himmels auszumachen. »Es ist eine Gruppe Reiter, vielleicht zehn oder zwölf Mann«, sagte sie schließlich. »Und sie kommen aus Richtung Buchara. Denkst du, sie sind hinter uns her?«
»Möglich. Wenn uns jemand weit genug gefolgt ist, um zu begreifen, daß wir nach Persien wollen, aber nicht auf der üblichen Route, dann kann es durchaus sein.«
Juliet sprang hastig auf. »Vielleicht sollten wir verschwinden.«
ROSS blieb sitzen und schüttelte den Kopf. »Noch nicht gleich -
selbst turkmenische Pferde brauchen in dieser Hitze Ruhe, und lan hält sich zwar erstaunlich gut, ist aber nicht aus Stahl. Ich bleibe hier und behalte die Reiter im Auge. Wenn sie näher herangekommen sind, können wir entscheiden, ob sie bedrohlich aussehen. Und du ruhst dich jetzt aus … du bist schließlich auch nicht aus Stahl gemacht.«
»Kann ich mich hier neben dich legen?« fragte sie ein wenig schüchtern. Sie wußte, daß ROSS’ Nähe sie mehr stärken würde als alles andere. »Ich verspreche, ich versuche zu schlafen.«
Als Antwort griff er ihre Hand und zog sie zu sich hinunter, bis ihr Kopf in seinem Schoß lag. Sein Schenkel war als Kissen nicht schlecht geeignet, und zu ihrer Überraschung spürte sie, wie sie der Schlaf tatsächlich übermannte.
Die Schatten waren schon länger geworden, als ROSS sie an der Schulter rüttelte. »Wir sollten uns jetzt wieder aufmachen. Die Reiter sehen aus wie Soldaten aus Buchara, und ich kann mir nur vorstellen, daß sie hier sind, weil sie uns verfolgen.«
»Verdammt.« Juliet starrte frustriert auf die Staubwolke, die nun nah genug war, um ohne Fernglas etwas erkennen zu können. »Ich hätte nie gedacht, daß jemand so hartnäk-kig sein kann.«
»Außer Shahid Mahmud.« ROSS kam müde auf seine Füße. »Er hat eine ziemlich starke Abneigung gegen uns beide entwickelt, und er ist ganz der Typ Bulldogge, die niemals aufgibt.«
Sie hasteten den Hügel hinunter, um die anderen zu wek-ken, und innerhalb fünf Minuten waren sie wieder in Bewegung. Die ganze Nacht ritten sie forsch voran, aber als sie am Morgen an einer hochgelegenen Stelle anhielten, damit ROSS durch sein Fernglas sehen konnte, hatten sie nur einen kleinen Vorsprung vor ihren Verfolgern erreicht.
Düster ließ ROSS das Glas sinken. Ihre Verfolger mußten wissen, daß sie ihnen hart auf den Fersen waren, denn beide Gruppe bewegten sich so schnell voran, wie es unter diesen Umständen möglich war, und der Abstand blieb mehr oder weniger konstant.
Wenn ROSS und seine Gefährten ihre gegenwärtige Geschwindigkeit beibehalten konnten, würden sie sicher sein, aber praktisch jede Art von Schwierigkeiten würde eine Verzögerung mit katastrophalen Folgen bedeuten.
Als ROSS sich wieder zu den anderen gesellte und das Signal zum Weiterreiten gab, sprach er ein stummes Dankgebet, daß lan ihr Tempo mithalten konnte. Nachdem er den Schwarzen Brunnen überlebt hatte, würde er keinerlei Absicht haben, nun, da er frei war, zu sterben, und die Unbarmherzigkeit der Wüste hatte ihn zu reiner Willenskraft und Zähigkeit reduziert. Er würde es sich nicht erlauben, daß sein Kondition ein Problem für sie alle wurde.
Doch schon etwas später am Tag holte der Ärger sie ein, als sich herausstellte, daß das Wasserloch trocken war. Es war zwei Tage her, seit sie ihre Schläuche das letzte Mal aufgefüllt hatten, und der Wasservorrat würde streng rationiert vielleicht noch für weitere zwei Tage reichen. Allerdings nur für die Menschen. Die Pferde würden viel früher etwas brauchen.
Mit grimmigen Mienen machten sie sich
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