Wilder als Hass, süsser als Liebe
Überzeugung von beiden Seiten, daß sie für immer zueinander gehörten.
Als sie ihre Absicht der Familie verkündeten, war ein Sturm über sie hereingebrochen. Doch ROSS war fast einundzwanzig gewesen und brauchte die Erlaubnis seines Vaters nicht mehr. Zudem würde er an seinem Geburtstag eine anständige Geldsumme bekommen, die es ihm erlaubte, seine Frau auch dann zu unterhalten, wenn sein Vater ihm die Zustimmung verweigert hätte.
Da Juliets Vater bereits tot war, hatte sie nur die Einwilligung von Lady Cameron gebraucht, und die hatte sie ohne zu zögern gegeben, obwohl der Duke einige Überzeugungsarbeit geleistet hatte, noch damit zu warten. Schließlich hatten sich jedoch auch ROSS’ Eltern dem offenbar Unvermeidlichen gebeugt und der Verbindung ihren Segen gegeben.
Und seitdem, ungeachtet unter welchen Umständen es geschah, brachte der Duft von Lavendel für Juliet immer die Erinnerung an die Zeit zurück, in der sie zum ersten Mal ihre Leidenschaft entdeckt hatte.
Verwirrt hob sie das Gesicht aus dem Stoff und zwang sich in die Realität zurück. Sie genoß nicht die Wärme eines englischen Sommertages, sondern zitterte in der Kühle eines persischen Frühlingsabends. Und in ein paar Minuten mußte sie dem einzigen Mann gegenübertreten, den sie je geliebt hatte und der doch jeden Grund der Welt besaß, sie zu verachten.
Müde richtete sie sich wieder auf und schüttelte das blaue Seidenkleid aus, das erstaunlich wenig Knitterfalten aufwies.
Obwohl das Material kostbar und die Farbe intensiv war, besaß es doch einen unauffälligen Schnitt. In der Truhe befanden sich außerdem noch ein Unterhemd
und ein Petticoat, also zerrte sie die Sachen heraus und zog sich eilig an. Sie hatte schon viel zuviel Zeit mit Erinnerungen verschwendet!
Juliet nahm die einfache Goldkette mit dem Anhänger ab, den sie heute abend nicht tragen konnte, und musterte sich dann kritisch.
Nach all den Jahren in lockeren, hochgeschlossenen Gewändern fühlte sie sich in dem an die Figur geschmiegten Kleid übel ausgestellt, besonders, da es ihr um den Oberkörper herum ziemlich eng vorkam. Dort war sie tatsächlich fülliger geworden, obwohl der Rest ihres Körpers sich anscheinend nicht von ihrer siebzehnjährigen Statur unterschied. Durch den figurbetonten Schnitt kam ihr der Ausschnitt, der für englische Verhältnisse sehr brav gewesen wäre, ziemlich gewagt vor, was keinesfalls der Effekt war, den sie sich wünschte.
Sie überlegte einen Moment, dann fiel ihr ein reichgemusterter Kaschmirschal ein, den ein Reisender ihr einmal für ihre Gastfreundschaft geschenkt hatte. Nachdem sie ihn um ihre Schultern drapiert hatte, betrachtete sie sich erneut. Die weichen Blau- und Grautöne des Schals paßten sehr gut zu dem Kleid und machten es zudem ein wenig schicklicher. Unglücklicherweise wirkte sie nun respektabel bis zu einem Grad von Altjüngferlichkeit, was sie auch nicht gerade erreichen wollte. Sie war schließlich keine englische Gouvernante, sondern eine exzentrische Kriegsherrin einer persischen Festung. Sie hatte keine Lust, ihrem Mann als schüchterne, graue Maus gegen-
überzutreten, als wollte sie um seine Billigung heischen.
Was ihr Aufzug brauchte, war ein wunderbar barbarischer turkmenischer Schmuck, und Juliet besaß zufällig genau das Passende. Bisher hatte sie nie die Gelegenheit gehabt, die Schmuckstücke zu tragen. Nach sorgsamer Überlegung wählte sie Ohrringe aus funkelnden gedrehten Bändern, die fast bis auf ihre Schultern reichten, und
ein passendes Halsband, das die restliche freie Haut über ihrem Ausschnitt bedeckte. Ohrringe und Kette waren aus goldgetriebenem Silber gemacht, aufgelockert durch unregelmäßig geformte Perlen aus Karneol und Türkis.
Tapfer stellte Juliet sich wieder dem Lavendelduft, um ein Töpfchen rosafarbener Paste zu suchen, die sie auf ihre Lippen strich. Rouge hatte sie nicht nötig - ihre Wangen hatten bereits genug Farbe.
Der abschließende Touch war ganz und gar landesbedingt. In allen Wüstengegenden von Asien und Afrika schwärzten Männer und Frauen sich die Augenlider mit einer Paste aus Öl und Antimon.
Mal Kohl, mal Surma genannt, gab es das Rezept dafür schon mindestens seit der antiken ägyptischen Blütezeit und war sowohl zur Pflege der Augen als auch zum Schutz vor der gleißenden Sonne benutzt worden. Zudem hatte es einen höchst dramatischen Effekt und würde ihrer Aufmachung den richtigen Akzent geben.
So nahm Juliet also einen kleinen
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