Wilder als Hass, süsser als Liebe
mir soviel bedeutet hat wie du. Ich habe die Scheidung vorgeschlagen, damit du für eine andere Frau frei sein würdest. Eine bessere Frau - eine, die dich glücklich machen könnte.«
Aber er hatte niemals eine andere Frau gewollt. Er holte tief Atem und fragte erneut: »Wenn du mich also weder wegen einer anderen Liebe noch deshalb verlassen hast, weil du mich verachtetest - warum dann? Warum bist du gegangen? Bitte, gib mir eine direkte Antwort, Juliet. Ich muß es wissen.«
Sie schwieg eine lange Weile, bevor sie mit einem Kloß in der Kehle antworten konnte. »Die simple, unverhüllte Wahrheit ist, daß ich befürchtet habe, ich könnte an deiner Seite alles verlieren, was immer mich ausmacht. Ich glaube, ich kann es dir einfach nicht besser erklären.«
Langsam ließ ROSS den Atem heraus, den er unwillkürlich angehalten hatte. Wahrscheinlich lag Wahrheit in ihren Worten, obwohl er bezweifelte, daß sie simpel oder unverhüllt sein sollte.
Nun, da sie ihm durch ihr ausweichendes Verhalten eine Art Antwort gegeben hatte, gab es noch eine andere Sache, die angesprochen werden mußte, bevor er eine strapaziöse, gefährliche Reise mit ihr unternehmen konnte. ROSS ging durch den Raum und blieb nur eine Armeslänge vor Juliet stehen, so nah, daß er die Wärme, die ihr Körper ausstrahlte, durch die kühle Abendluft spüren konnte. Ihre schmale Gestalt hob sich anmutig im dämmrigen Licht ab und wirkte wie ein Traumbild. Aus zehntausend Träumen.
»Da ist noch etwas, das ich wissen muß, bevor wir einen Waffenstillstand schließen«, murmelte er.
Ihr Schal war heruntergerutscht und enthüllte die Blässe ihrer Haut. Als der schwache erotische Duft nach Lavendel zu ihm herüberdrang, legte er seine Hände auf ihre Schultern und zog sie an sich. Aufreizend langsam glitten seine Finger unter das gewaltige turkmenische Schmuckstück, um die nackte glatte Haut unter ihrem Schlüsselbein zu liebkosen.
Juliet versuchte nicht, dem Kuß auszuweichen. Mit einem kleinen Seufzer hieß ihr Mund den seinen willkommen, und ihr geschmeidiger Körper schmolz hilflos an seinem, als er die Arme um sie legte.
Zwölf Jahre lösten sich in einem Herzschlag auf, und was ein fragender, herausfordernder Kuß sein sollte, wurde zu einem ganzen Universum der Empfindungen. Juliets Geschmack und das Gefühl ihrer Haut waren ihm so vertraut wie sein eigener Körper und begehrenswerter als ewiges Leben. Seine Hände glitten über die ihm so bekannten Rundungen ihrer Hüften, und durch den Stoff des Seidenkleides spürte er, wie ihre festen Muskeln sich bewegten, als sie sich an ihn preßte. Denn sie tat mehr, als seine Berührung nur passiv zu erdulden - sie reagierte mit wilder Sehnsucht, und ihre Hände und ihr Mund bewegten sich rastlos und fordernd, als wäre dies der einzige Augenblick, den sie jemals haben würden.
Und nur zu schnell war der Moment vorbei. Abrupt machte sie sich von ihm los. Ihr ganzer Körper bebte, und ihre Augen waren verschleiert, als sie flüsterte: »Nein, ROSS, das nicht. Nie wieder!«
»Warum nicht? Unsere Ehe war nicht nur schlecht.«
ROSS hob die Hand und ließ seine Finger sanft über ihre Wange gleiten. »Weißt du denn nicht mehr?«
»0 doch«, sagte sie mit brechender Stimme. »Und ich wünschte, ich würde es nicht tun.«
Seine Hand fiel herunter. Einen Augenblick blieb Juliet starr wie eine Skulptur stehen. Dann, befreit von dem Zauber, der sie beide einen kurzen Moment aneinander gebunden hatte, wandte sie sich ab und nahm eine der Lampen auf. Mit beherrschten Bewegungen verließ sie das Zimmer, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Einen Augenblick schloß ROSS die Augen und sagte sich, daß er an unerfüllter Begierde nicht sterben würde, obwohl er es sich kurzfristig, wünschte. Und er hatte in zwölf langen Jahren gelernt, daß auch Zurückweisung nicht tödlich war.
Absichtlich konzentrierte er seine Sinne auf die Prellungen und Abschürfungen, die seinen Körper übersäh-ten, denn er wußte, daß der Schmerz besser zu ertragen sein würde als das, was er in diesem Moment empfand. Und doch, obwohl jeder Muskel, jeder Knochen und jede Sehne weh tat, konnte er die Begegnung mit den Turkmenen doch immer noch nur als reines Vergnügen betrachten, verglichen mit dem Abendessen mit seiner verloren geglaubten Frau. Es schien ihm unglaublich, daß erst ein paar Stunden vergangen waren, seit sie sich wiedergetroffen hatten, denn er fühlte sich, als wäre er in diesem halben Tag mindestens ein
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