Wilder als Hass, süsser als Liebe
ihren Mann gefährden könnte.
Trotzdem war es undenkbar, ihren Vorschlag anzunehmen. ROSS
hatte sich nie viel Gedanken über ein Leben nach dem Tod gemacht, aber er wußte, daß es der Hölle schon recht nah kommen würde, wenn er einige Monate in nächster Nähe mit seiner Frau verbringen würde.
»Ich kann dich nicht davon abhalten zu gehen«, sagte er nun müde. »Aber du kannst mich auch nicht zwingen, dich als Diener zu akzeptieren.«
»Dann gehe ich an deiner Stelle«, schlug sie vor, ohne sich durch seinen Tonfall verunsichern zu lassen. »Und ich finde, genauso sollte es sein. lan ist mein Bruder, nicht deiner, und du hast durch die Camerons schon genug, durchmachen müssen.«
Als ihr herausfordernder Blick seinen traf, veränderte sich die Atmosphäre, und das Gewicht verschob sich voni der Mission nach Buchara zu der Beziehung ROSS und Ju-f liet. Der Zorn und die Spannung, die zwischen den beiden pulsierte, drang aus einer offenen, schwelenden Wunde: ihre gescheiterte Ehe. Und nun war es Zeit, das Thema direkt anzusprechen.
»Wenn wir beide entschlossen sind, nach Buchara zugehen, haben wir vermutlich eine größere Chance zu über-! leben, wenn wir zusammenarbeiten«, sagte ROSS mit rauher Stimme. »Aber das können wir nicht, wenn wir nicht endlich aufhören, einander zu provozieren. Seit wir uns getroffen haben, kämpfen wir gegeneinander und versuchen, bei dem anderen eine Schwäche zu entdecken.«
»Du hast recht.« Juliet seufzte. »Ich bin nicht besonders stolz auf mein Benehmen, und deine Leistung war auch nicht die beste. Wir sollten einen Waffenstillstand schließen.«
Doch bevor das geschah, mußte ROSS erst eine Antwort auf die Frage bekommen, die ihn seit zwölf Jahren quälte. »Warum hast du mich verlassen, Juliet? Hast du dich in einen anderen verliebt?«
Sie senkte den Blick. »Nein«, antwortete sie mit ebenso ruhiger Stimme. »Es hat keinen anderen gegeben.«
Er wartete darauf, daß sie mehr sagte. Als das nicht geschah, bemerkte er nachdenklich: »Da wir ja praktisch un- ; ablässig zusammen waren, nehme ich an, du hattest auch gar keine Zeit dazu, dich in jemand anderen zu verlieben. Also, wenn du nicht wegen eines Liebhabers weggerannt bist, lag es dann daran, daß du dich nicht dein ganzes Leben nur auf einen Mann konzentrieren konntest und daß du zu aufrichtig warst, zu bleiben und eventuell Ehebruch zu begehen?«
In Anbetracht von Juliets Sinnlichkeit und der nachfolgenden Affären hatte er das bisher für die wahrscheinlichste Erklärung gehalten.
»Ich weiß nicht, ob ich geschmeichelt sein soll, weil du mich für so aufrichtig hältst, oder beleidigt, da du meiner Moral offenbar nichts zutraust«, sagte sie mit gepreßter Stimme. »Nein, ROSS, es gab außer Sex noch andere Gründe, um die Ehe zu beenden. Ich habe dich nicht verlassen, um dem Sirenengesang der Promiskuität zu folgen.«
»Aber warum hast du mich dann verlassen?« Er versuchte, seiner Stimme einen neutralen Klang zu geben, als würde ihn die Sache nicht wirklich betreffen, und fuhr fort: »Ich war glücklich, und du wirktest ebenso. Wir hatten nur wenige
Meinungsverschiedenheiten, und wenigstens für mich waren die nicht ernst zu nehmen. Was habe ich getan, was so unverzeihlich war?«
Ihre Augen, verletzlich und gequält, begegneten seinem Blick.
»Du hast nichts falsch gemacht, ROSS. Gar nichts. Ich war das Problem. Ich hätte niemals heiraten dürfen, weder dich noch sonst jemanden.« Sie stieß ihren Stuhl vom Tisch ab und stand auf, dann entfernte sie sich aus dem Lichtkegel der Lampe. »Das war es, was ich in dem Brief erklären wollte, den ich dir hinterlassen habe. Ich habe offenbar keine besonders gute Arbeit geleistet, sonst würdest du dich nicht mehr nach dem Warum fragen.«
Unfähig, die Bitterkeit aus seiner Stimme zu halten, entgegnete er:
»Ich hielt dir zugute, daß du meine Gefühle nicht verletzen wolltest, aber trotz deiner Erklärungen war es schwer, dein Fortlaufen nicht persönlich zu neh-ßien. Tatsächlich war es mir unmöglich - besonders, nachdem du so schnell mit dem Scheidungsvorschlag warst. England ist voll von schlecht funktionierenden
Ehen, aber das Parlament gewährt vielleicht gerade mal eine Scheidung pro Jahr. Es schien, als konntest du es kaum erwarten, mich loszuwerden.«
Sie wandte sich zu ihm um, doch er konnte ihr beschattetes Gesicht nicht deuten. »Es tut mir leid, daß du es so aufgefaßt hast.
Ich schwöre, daß es niemals jemanden gegeben hat, der
Weitere Kostenlose Bücher