Wilder als Hass, süsser als Liebe
springen, damit sie nicht noch länger ausharren mußten. Aber sie warteten dennoch, weniger aus moralischem Anstand als aus der Schwierigkeit heraus, ein stilles Plätzchen zu finden, wo sie unentdeckt Liebe machen konnten. Die Zeremonie hatte in Schottland in der Dorfkapelle des Landstriches von Juliets Onkel stattgefunden. Dann das junge Paar zu einer Jagdhütte in der Nähe gefahren, die einem Freund des Duke of Windermere gehörte. Und dort waren sie endlich allein gewesen, denn die Dienerschaft war freundlich genug, nicht ein Paar zu stören, das frisch verheiratet war.
Nachdem sie ein leichtes Abendessen zu sich genommen hatten, hatte ROSS Juliet Zeit gegeben, sich zu waschen, umzuziehen und sich bereit zu machen. Es war ihr unendlich peinlich, aber obwohl sie sich wochenlang auf diese Nacht gefreut hatte, war sie plötzlich einem Zusammenbruch nah gewesen. Als ihr frischgebackener Ehemann schließlich ins Schlafzimmer gekommen war, hatte sie nicht freudig in dem massiven Bett gewartet, sondern hatte statt dessen zusammengekauert auf dem Fensterplatz gesessen. Mit den Armen hatte sie fest ihre angezogenen Knie umklammert.
ROSS war an ihre Seite getreten. Während er hinaus auf die Mondsichel geblickt hatte, die am samtschwarzen Nachthimmel hing, hatte er ihr einen Arm um die Schultern gelegt und gefragt:
»Kalt?«
Sie hatte den Kopf geschüttelt.
Er hatte ihren Nacken gestreichelt, und seine warme Hand hatte wunderbar ihre verspannten Muskeln gelok-kert. »Nervös?«
Sie hatte heftig geschluckt und zu ihm aufgesehen. »Alle sagen, wir sind zu jung. Vielleicht haben sie recht gehabt!«
»Nein«, hatte er schlicht geantwortet. Dann hatte er sich niedergebeugt und sie auf seine Arme genommen. Überrascht hatte sie sich an ihn geklammert, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während er sich auf das Bänkchen gesetzt und sie auf seinem Schoß plaziert hatte.
»Sie, wer immer sie auch sein mögen«, fuhr er fort, »haben unrecht. Ich liebe dich, und du liebst mich. Das Alter hat nichts damit zu tun.«
Bei seiner ruhigen Zuversicht waren ihre eigenen Zweifel geschwunden. Vielleicht war sie jung und flatterhaft, ROSS war es aber nicht. Er war stark und gefestigt und klug - alles, was sie nicht war.
Dann hatte sie sich in seinen Armen wie ein Kätzchen entspannt und ihr Gesicht in seine Halsbeuge gepreßt. Mit weicher tiefer Stimme hatte er ihr ausgemalt, was sie alles zusammen tun würden, wohin sie reisen würden, was sie alles noch entdecken würden. Und die ganze Zeit hatte er sie leicht, zart und unendlich beruhigend gestreichelt.
Obwohl sie beide ungeduldig auf diese Nacht gewartet hatten, war nun, da sie endlich gekommen war, keine Eile nötig. Juliet war sich wie ein Instrument vorgekommen, das von einem virtuosen Künstler gespielt wurde, als ROSS ihren Körper zärtlich erforscht und sie ermutigt hatte, dasselbe mit seinem zu tun. Schüchtern hatte sie damit begonnen, die Hand in seinen Hausmantel gleiten zu lassen, um festzustellen, daß seine warme Brust mit herrlichen Haaren bedeckt war. Sie hatte seinen Herzschlag unter ihrer Handfläche gespürt und war bewegt und freudig überrascht gewesen, als er sich unter ihrer Berührung beschleunigte.
Als er sie endlich zum Bett getragen hatte, war ihre ganze Nervosität dahingeschmolzen. Ihre Mutter hatte ihr angedeutet, daß es beim ersten Mal weh tun würde, und Juliet war darauf gefaßt gewesen, doch als sie sich schließlich vereinten, hatte sie keinen Schmerz gefühlt. Statt dessen hatte sie nur ein seltsames Befremden über den Strom der unbekannten Sensationen empfunden, der sie überflutete.
Es war eine magische Nacht gewesen, und sie hatte gedacht, daß nichts jemals schöner sein konnte. Doch die lo’genden Nächte waren noch besser gewesen, denn sie hatten sich immer mehr auf die Bedürfnisse und Reaktionen des anderen eingestellt. Es war ein wunderschöner Traum gewesen, bis sie erkannte, was mit ihr geschah. Und da war ihre Welt voller Entsetzen gewesen.
Juliet konnte sich nur ganz allein die Schuld dafür ge- I ben. Hätte sie einen stärkeren Charakter besessen, wäre sie in England geblieben. Statt dessen hatte sie aus Furcht ihr eigenes Leben zerstört. Und schlimmer noch: Sie hatte ihren Mann schrecklich verletzt - bis zum heutigen Abend war ihr nicht bewußt gewesen, wie sehr. Obwohl sie geahnt hatte, daß ihr Verschwinden ihm Kummer bereiten würde, hatte sie auf seine Gelassenheit und seine zuversichtliche Stärke gehofft,
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