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Wilder als Hass, süsser als Liebe

Wilder als Hass, süsser als Liebe

Titel: Wilder als Hass, süsser als Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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den Lauf ab und musterte das Gewehr. »Schön. Maßarbeit eines britischen Waffenschmieds, nehme ich an?«
    »Ja. Es ist eine Verbesserung des Ferguson-Entwurfs, und es schießt sehr genau. In diesem Teil der Welt bedeutet ein gutes Gewehr das Leben. Willst du es ausprobieren?«
    Als er nickte, wühlte Juliet ein halbes Dutzend Patronen aus ihrem Munitionsbeutel und reichte sie ihm. Es gelang ihnen, sich dabei nicht zu berühren, und es war schon erstaunlich, wie perfekt sie zusammenarbeiteten, wenn es galt, Körperkontakt zu vermeiden.
    Und Ironie des Schicksals: Für sie bedeutete das Angebot, ihre Waffe zu benutzen, eine Intimität, die sie bisher keinem anderen Mann zugestanden hatte.
    ROSS machte sich erst einmal näher mit der Waffe vertraut, dann zielte er auf eines der verbliebenen Blätter. Als er zu schießen begann, zählte Juliet im Geiste automatisch die Sekunden mit. Er feuerte alle sechs Schuß in etwas weniger als einer Minute, was nicht ganz so schnell wie ihre Zeit war - doch das Blatt war nachher in viele kleine grüne Partikel zerlegt.
    »Vielleicht bin ich etwas schneller«, urteilte sie. »Aber du hast die bessere Zielsicherheit.«
    »Möglich.« Er gab ihr die Waffe zurück. »Die wahre Kunst besteht allerdings darin, auch im Ernstfall so gut zu schießen.
    Wenn es wirklich darauf ankommt, versagen die meisten.«
    Auf seltsame, fast unmerkliche Art schien ROSS sich über Nacht verändert zu haben. Als Juliet sein Gesicht betrachtete, erkannte sie, daß am Tag zuvor eine fragende, herausfordernde Nuance darin zu finden gewesen war, ei-ne Offenheit für mögliche Konsequenzen. Nun war diese Offenheit verschwunden. Er hatte sich seine Meinung
    über seine abtrünnige Frau gebildet, und was immer er nun empfinden mochte, war hinter einer Mauer der Gefühllosigkeit verborgen, die so undurchdringlich wie Kristall erschien. Seine braunen Augen verrieten weder Wärme noch Zorn, nur die unpersönliche Höflichkeit, die er so gut beherrschte.
    Juliet war entschlossen, es ihm in dieser Hinsicht nachzutun, denn es würde für sie beide besser sein. Unglücklicherweise hatte sie starke Zweifel, daß sie damit erfolgreich sein würde, denn ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, war noch nie ihre Stärke gewesen.
    ROSS lehnte sich nun lässig gegen einen Felsen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sehe ich irgendwie merkwürdig aus, oder hoffst du, ich würde vielleicht verschwinden, wenn du mich lange genug derart anstarrst.«
    »Tut mir leid.« Juliet spürte, daß sie errötete. Sie war gestern und heute öfter rot geworden als das ganze vergangene Jahr. Einen Moment war sie versucht, sich in Banalitäten zurückzuziehen, änderte dann aber ihre Meinung. Vielleicht war Disziplin keine ihrer Stärken, Direktheit aber in jedem Fall, also konnte sie sie auch anwenden. »Ich weiß nicht, wie ich mit dir umgehen soll, ROSS. Du bist mir gleichzeitig so vertraut und so fremd. Hast du vielleicht eine Idee?«
    Obwohl er sich nicht bewegte, hatte sie den Eindruck, als hätte er sich versteift, bevor er antwortete.
    »Die Vertrautheit ist eine Illusion. Wir kannten uns vor zwölf Jahren für eine kurze Zeit, und obwohl die Beziehung sicher intensiv war, so doch im Grunde oberflächlich. Wir haben das meiste unseres Erwachsenenlebens getrennt gelebt, und das in ziemlich unterschiedlichen Kulturen. Wir sind Fremde füreinander, Juliet, auch wenn wir die nächsten Monate ein gemeinsames Ziel haben. Ich
    denke, wir sollten uns wie zwei entfernte Verwandte benehmen, die nichts gemein haben, aber die sich freundlich gesinnt sind.«
    Schmerzvoll amüsiert verzog sie die Lippen. Mit guten und schlechten Ergebnissen hatte ihre Liebe zu ROSS ihr Leben geformt und bestimmt, und doch wollte er ihre Ehe so einfach als
    »im Grunde oberflächlich« einstufen und damit fortwischen. Wie auch immer, da sie ihn direkt gefragt hatte, wie er empfand, verdiente sie jede Antwort, die er ihr zu geben hatte. »Nun gut«, sagte sie mit gezwungen lockerem Tonfall. »Dann sehe ich dich als Cousin zweiten Grades.«
    »Ein Cousin zweiten Grades, ewig weit entfernt«, bemerkte er trocken. »Nun, wenn wir unsere Reise in Angriff nehmen, wäre es fein, wenn du ein eifriges Interesse daran zeigen würdest, es deinem Arbeitgeber in allem recht zu machen.«
    Juliet hob die Augenbrauen in gespielter Überraschung. »Ich hatte eigentlich vor, die Art von Diener zu sein, der vertrottelt und unzuverlässig ist, aber niemanden als sich selbst

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