Wilder als Hass, süsser als Liebe
zuckten schwach.
»Ruhig, Onkel, halt still«, murmelte ROSS beschwörend. »Du bist in Sicherheit.«
Obwohl seine Atmung vor Furcht rasselte, gehorchte der alte Mann, und ROSS bewegte sich auf das Ufer zu, wobei er Muhammad Käsern hinter sich herzog. Durch das sandige Wasser in den Augen war seine Sicht verschwommen, aber er hörte dennoch die Anfeuerungsrufe einiger Männer.
Nur langsam kam ROSS voran, denn er hatte nur einen Arm zum Schwimmen, und das Wasser war turbulent wie ein Gebirgsbach.
Treibgut traf sie, ein ausgerissener Baumstumpf drückte sie wieder unter Wasser. ROSS brauchte seine ganze Kraft, um sie beide aus dem Gewirr der Äste zu befreien, doch er schaffte es und paddelte unbeirrt weiter.
Als er fast am Ufer war, stolperte jemand das steile Ufer hinunter, packte ihn am Arm und zog ROSS und seine Last die letzten Meter zur Sandbank hinüber. Auch ohne die englischen Worte, die an seine Ohren drangen, hätte er sofort gewußt, wer es war.
»Du dämlicher Idiot«, knurrte Juliet, als sie Muhammad Käsern fortzog und seinen zerbrechlichen Körper in die wartenden Hände schob. »Du hättest ertrinken können!«
»Bin ich aber nicht«, keuchte ROSS, zu erschöpft, um sich eine schlagfertigere Antwort einfallen zu lassen.
»Verdammter Held«, murmelte sie. Da ROSS sich kaum bewegen konnte, schlang Juliet einen Arm um seine Taille und zerrte ihn mit all ihrer Kraft ans trockene Land.
Dort brach er in die Knie zusammen und begann, das schlammige Wasser herauszuwürgen, das er geschluckt hatte. Juliets Arme unterstützten ihn dabei die ganze Zeit, und ihre Berührung war viel sanfter, als ihre Stimme es zuvor gewesen war. Als er sich endlich mit schmerzender Kehle wieder aufrichtete, machte sie ihren Wasserschlauch los und hielt ihn an seine Lippen, um den Salzgeschmack des Wassers fortzuspülen.
Immer noch schwach, schaffte ROSS es mit Juliets Hilfe, aufzustehen. Er zitterte vor Kälte, und der Wind schnitt durch seine patschnasse Kleidung, die an seinem Körper klebte. Juliet, die ihn mit offensichtlicher Verzweiflung ansah, war ebenso durchweicht, aber die langen Roben
verhüllten auch jetzt noch glücklicherweise jede Kontur, die sie als weiblich ausgezeichnet hätte.
Dann hob er den Kopf und entdeckte, daß sich alle Reisenden der Karawane versammelt hatten, um das Drama zu beobachten. Und die meisten starrten ihn an. Wasser ließ sein Haar dunkler erscheinen, aber ganz sicher nicht genug. Sein Schöpf und seine weißen Füße ließen nicht viel Zweifel an seiner Fremdartigkeit.
Unter den gemurmelten Worten, die durch die Menge liefen, konnte er immer wieder eines ausmachen: »Ferengi.«
Neben ihm spannte sich Juliets Körper an, und ihre Hand fiel zur Seite auf den Knauf ihres Messers. Sie sagte kein Wort, aber während sie die Zuschauer anstarrte, war durch den Schlitz in ihrem Schleier das kalte Blitzen in ihren grauen Augen deutlich zu erkennen. ROSS wurde an eine wütende Katze erinnert, die ihre Jungen verteidigen wollte. Sie mochte ihn einen dämlichen Idioten genannt haben, aber er hatte keinen Zweifel, daß sie kämpfen würde, sobald es jemand wagte, ihn anzugreifen.
Glücklicherweise waren keine weiteren Heldentaten mehr nötig, denn die Menge schien eher überrascht und neugierig als feindselig. Der einzige drohende Blick kam von einem bösartigen usbekischen Kameltreiber namens Habib, der sich gern auf Kosten anderer amüsierte, einschließlich »Jalal«. Juliet hatte seine arglistigen Scherze bisher immer ignoriert, aber der Mann war ein Unruhestifter, und zwar genau einer von der Sorte, der einen Mob gegen einen Fremden aufbrachte.
Die Tatsache, daß ROSS nun als Europäer identifiziert war, bedeutete nicht automatisch Ärger - er und Alexander Burnes hatten deswegen auf früheren Reisen durch Türkestan keine ernsthaften Probleme gehabt. Aber das war Jahre her, als Zentralasien noch ruhiger und weniger gefährlich gewesen war.
Vielleicht reichte dieser einzige
bösartige Ferengi-Hasser, um Schwierigkeiten heraufzu-beschwören.
Habib spuckte auf den Boden. »Nicht nur ein Ferengi. Auch ein Ungläubiger und Spion.«
Verwirrte Stimmen erhoben sich rund um den Kameltreiber, wurden aber abrupt abgeschnitten, als Abdul Wahab sich durch die Menge drängelte.
»Der Wind ist kalt«, knurrte er, als er ROSS eine großes, grobes Tuch reichte. »Trocknet Euch ab, bevor ihr auskühlt.« Dann wandte er sich um und rief: »Da wir jetzt Wasser haben, werden wir das Lager hier
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