Wilder als Hass, süsser als Liebe
Chance, davonzukommen.
Versprich mir, daß du alles tun wirst, um dein Leben zu retten.
Wenn es sein mußt, wirst du mich zurücklassen, ja, du sollst mich sogar bei den Männern des Emirs denunzieren, falls nötig. Und um Gottes willen, bitte starte keinerlei wilden, hoffnungslosen Versuche, um mich zu retten. Ich will nicht, daß du aus Sturheit oder Schuldgefühl oder Übermut stirbst.«
Als sie nichts darauf erwiderte, drückte er ihre Hand. »Versprich es mir, Juliet. Bitte.«
Sie haßte seine Worte und konnte sein skrupellos praktisches Denken nicht nachvollziehen. »Kann ich über mein eigenes Leben nicht selbst entscheiden?«
»Vielleicht, aber darum geht es doch gar nicht.« Er seufzte erneut und ließ ihre Hand los. »Würde es einen Unterschied machen, wenn ich dir sage, daß ich vielleicht ein wenig glücklicher sterben würde, wenn ich wüßte, daß du in Sicherheit bist?«
Der Kloß in ihrem Hals war so dick, daß sie Angst hatte, sie könnte daran ersticken. »Also gut. Ich verspreche dir, daß ich meine Lage akzeptieren werde, wenn du verurteilt wirst und man mich übersieht, und daß ich nichts Unsinniges anstellen werde.«
Seine Finger berührten ganz leicht ihren Handrücken. »Ich danke dir.«
Schweigend drehte sie sich um und zog den Wasserschlauch endgültig fest. Sie hatte ein Versprechen gegeben - aber sie war nicht sicher, ob sie es halten konnte. Es war leichter, sein eigenes Leben in einem nutzlosen Rettungsversuch zu riskieren, als danebenzustehen und jemanden in Gefahr zu wissen, für den man etwas empfand.
Sag es, befahl sich Juliet, wenn auch nur zu dir selbst. Was für Gefahren auch immer auftauchen mochten, sie würde unmöglich danebenstehen können, ohne den Versuch zu machen, den Mann, den sie liebte, zu retten.
Kapitel 10
WÄHREND DER FLUTWELLE im Wadi hatte Juliet ertragen müssen, ihren Mann in höchster Gefahr zu sehen. ROSS kam eine Woche später an die Reihe, hilflos mit ansehen zu müssen, wie Juliets Leben auf dem Spiel
stand.
Die Karawane war noch eine Tagesreise von Merw, der größten Stadt zwischen Sarakhs und Buchara, entfernt. Sie hatten sich für die Nacht an einer kleinen Quelle mit wenigem und bitterem Wasser niedergelassen, und die Reisenden errichteten soeben die Zelte und entzündeten die Feuer, als eine Bande Turkmenen ins Lager galoppierte.
Jedermann hielt in seiner Beschäftigung inne und starrte die Reiter an, die vorbeirauschten. Verglichen mit den Händlern, waren die Turkmenen geschmeidig wie Wölfe und ebenso gefährlich.
Murad bereitete gerade Wüstenbrot: ein Gemisch aus Wasser und Mehl, das in ein Sandloch gegeben wurde und dann mit Sand und Kohle bedeckt wurde, um es zu garen. Nun setzte er sich auf seine Fersen und murmelte mit Unbehagen: »Banditen würden doch sicher nicht einfach in as Lager reiten.« »Nein«, stimmte Saleh zu.
»Wahrscheinlich stehen sie
im Dienst von Chiwa oder Buchara und wollen der Karawane Steuern abnehmen. Auch eine Form von Diebstahl, aber wenigstens eine recht harmlose.«
Da er derjenige war, der von ihrer kleinen Gruppe am unauffälligsten aussah, ging Saleh zum Mittelpunkt des Lagers, um herauszufinden, was es geben mochte. Nach etwa einer halben Stunde kehrte er zurück und berichtete: »Der Anführer heißt Khosrow Khan, und er ist ein Yuz-Bashi, >ein Befehlshaber von Hundertx. Er kommt in der Eigenschaft als Beamter des Emir von Chiwa und will eine Steuer von eins zu vierzig erheben.« Saleh hockte sich nieder und nahm einen Becher Tee von Murad. »Jede Gruppe soll eine exakte Liste ihrer Güter machen. Der Yuz-Bashi wird jedes Feuer aufsuchen, um den Bestand zu überprüfen und die Steuer zu kassieren.«
ROSS nickte ohne Überraschung. »Ich nehme an, daß einige Händler ziemlich enttäuscht sind. Bei den Kämpfen zwischen den Khanaten hätte die Karawane es durchaus schaffen können, einer Besteuerung durch Chiwa zu entgehen.«
Saleh stimmte ihm zu: »Ja, man kann eine gewisse Enttäuschung deutlich spüren. In Tschardshou, wenn wir das Königreich von Buchara betreten, wird eine weitere Steuer eingetrieben werden, noch eine wird fällig, wenn wir am Zollhaus der Stadt selbst vorbeikommen. Dennoch beschützt die Steuer die Karawane wenigstens weitgehend vor Plünderung.« Er nippte an seinem Tee, während sein Gesicht einen besorgten Ausdruck annahm. »Abdul Wa-hab hat mir gestanden daß Khosrow Khan als Ferengi-Hasser bekannt ist. Es wäre gut, wenn du seine Aufmerksamkeit nicht erregst,
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