Wilder als Hass, süsser als Liebe
Kontrast zu der kargen Landschaft bildeten. Dann kamen sie an eine Stelle, wo sich ein kleiner Teich an ein paar Weidenbäumen staute, und ROSS
zügelte mit sehnsuchtsvollem Blick auf das Wasser sein Kamel.
»Reitet ihr ohne mich zur Karawanserei«, sagte er zu den anderen und grinste spitzbübisch. »Ich komme später nach.«
Er stieg ab, entledigte sich seiner Stiefel, Hemd und Hut und sprang mit einem vergnügten Juchzen in den Fluß hinein.
Der Anblick von ROSS’ halbnacktem Körper machte augenblicklich alle Mühen, die Juliet sich zur Kontrolle ihrer ungewollten Lust auferlegt hatte, zunichte. Der Tag war bereits brennend heiß, doch sie spürte plötzlich ein Feuer in ihrem Körper, daß sie glaubte, ohnmächtig zu werden.
Ohne sich um ROSS’ Vorschlag zu kümmern, allein weiterzureiten, rief Murad begeistert aus: »Eine herrliche Idee, Kilburn. Wir kommen auch.« Er lenkte das Kamel, das er mit Saleh teilte, auf das Ufer zu. Dann ließ er das Tier niederknien, kletterte aus dem Korb und zog seine Kleider aus.
Auch Saleh schwang sich aus seinem Korb und streifte die Sandalen ab. Mit einem Blick auf Juliet, deren Kamel den anderen zum Fluß gefolgt war, schlug er vor: »Wenn du nicht schwimmen kannst, wate mit mir im flachen Wasser.«
Zögernd stieg Juliet ab. Sie spürte ein Fieber, das sie zu verbrennen drohte, und der Fluß lockte wie das Paradies selbst, doch es war undenkbar, zu ihrem Mann ins Wasser zu steigen.
ROSS sah herüber und spritzte neckend Wasser in ihre Richtung.
»Ja, Jalal, dann kriegst du wenigstens nasse Füße.«
Wortlos schüttelte sie den Kopf. Es wäre das Beste gewesen, allein zur Karawanserei zurückzureiten, aber das ging über ihre Kräfte. Auf der Ferse herumwirbelnd, eilte Juliet das Ufer entlang, bis sie außer Sicht ihrer Gefährten war.
Schnell und unregelmäßig atmend, ging sie weiter, bis sie einen kleinen versteckten Teich fand, der von Binsen und Weiden abgeschirmt wurde. Sie war nicht länger in der Lage, sich zu beherrschen, und so kniete sie nieder und zog mit bebenden Händen den Tagelmoust vom Gesicht. Seit sie Serevan verlassen hatten, war sie Tag und Nacht in die Lagen von Tuch eingehüllt gewesen, und in ihrem jetzigen fiebernden Zustand hatte sie das Gefühl, daß es sie ersticken würde, wenn sie den Schleier noch ei-ne einzige Sekunde länger trug.
Sie warf den Tagelmoust neben sich und schöpfte mit hohlen Händen Wasser aus dem Fluß, das sie sich über Gesicht und Hals spritzte. Die wunderbare Kühle linderte und beruhigte sowohl den Körper als auch den Geist.
Juliet hatte sich an diese Stelle zurückgezogen, weil sie allein sein mußte, doch als sie langsam ihre Fassung wiederfand, erkannte sie, daß sie dumm sein würde, die Gelegenheit zum Baden nicht beim Schöpf zu ergreifen. Rasch streifte sie die restliche Kleidung ab, löste ihr Haar aus dem dicken Zopf und tauchte ins Wasser. Es war angenehm kühl und liebkoste ihre Haut wie flüssige Seide.
Ohne Probleme hätte sie den Rest des Tages im Fluß verbringen können, aber wenn sie zu lange fort war, würde sicher einer der Männer nach ihr suchen, also wusch sie sich so schnell es ging. Nachdem sie wieder ans Ufer geklettert war, nahm sie ihren Mantel, um sich provisorisch abzutrocknen und zog sich dann wieder an. Wirklich eine Schande, daß sie keine frische Wäsche dabeihatte!
Anschließend setzte sie sich in ihrem Gewand ans Ufer und fuhr sich mit den Fingern durchs nasse Haar. Die Knoten herauszubekommen, war eine zeitraubende Arbeit. Es wäre praktischer gewesen, die Mähne vor ihrer Reise abzuschneiden, aber sie hatte sich nicht dazu durchringen können. ROSS hatte ihr Haar immer lang gemocht, und es so zu belassen war ein geheimes Geschenk an ihn, eines, das er niemals kennen würde.
Und das ihn vermutlich nicht kümmern würde.
Während sie ihre Haare flocht, war sie so versunken in ihre Gedanken, daß sie die Schritte hinter ihr zuerst gar nicht wahrnahm. Im allerletzten Moment hörte sie das sanfte Knirschen und wappnete sich, ROSS entgegenzusehen, obwohl sie hoffte, es wäre Saleh.
Es war weder ROSS noch Saleh. Statt dessen rief Murad nun:
»Jalal, wo bist du? Wir wollen weiter!«
Sie wirbelte den Kopf gerade in dem Augenblick herum, als der junge Perser aus den dichten Binsen trat. Als er das Gesicht und das kupferfarbene Haar sah, fiel Murad die Kinnlade herunter.
Sein Blick glitt zu dem vertrauten schwarzen Gewand, dann zurück zu ihrem Gesicht. »Jalal?« fragte er
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