Wilder Engel (German Edition)
rein zufälliges Nebenprodukt. Ebenso wie seine eigene.
Er wollte mich bestrafen, er wollte sich selbst bestrafen.
Mich, weil ich ihn schlecht behandelt hatte, und sich selbst, weil er sich das hatte gefallen lassen.
Und weil er jetzt außerdem hier bei mir war, weil er mir dennoch nicht hatte widerstehen können, weil er sich schwach fühlte, weil er mir auf den Leim gegangen war.
Und weil er das alles wusste, stieß er wieder heftig in mich hinein, immer wieder …
Aber dann ging doch plötzlich ein Zittern durch ihn hindurch, ehe er in meinen Armen einfach zusammenbrach.
Wir schafften es schließlich nach einer Weile, uns aufzurappeln und noch bis ins Schlafzimmer hinüberzugelangen, ehe wir ein weiteres Mal übereinander herfielen. Dieses Mal im Bett, das ich vorsorglich und vorausschauend zuvor schon mal einladend aufgeschlagen hatte.
Heute Morgen, am Frühstückstisch, hat er mir dann alles erzählt.
Man hatte ihm in London einen neuen Job angeboten. In der Geschäftsleitung eines großen Unternehmens. Dessen Sitz aber befand sich in Sydney, Australien.
Philipp hatte drei Monate Bedenkzeit bekommen, auch, um seine privaten Angelegenheiten zu regeln.
Er war noch am selben Abend zurückgeflogen und hatte sich mit Christiane verabredet, die in ihrem Reisebüro ausgerechnet auf den Roten Kontinent spezialisiert ist.
Philipp fand, wir sollten zusammen da rüberfliegen und uns umsehen.
»Du wolltest doch schon längst mal wieder für eine Weile von hier verschwinden«, sagte er und lächelte mich über seine Kaffeetasse hinweg ein wenig schief an. »Da dachte ich, ich wollte … also, es sollte eigentlich eine Überraschung sein.«
»Die ist dir gelungen«, sagte ich. »Wann soll die Reise denn losgehen?«
»Die Kranich kümmert sich auch um die Visa, sobald wir grünes Licht geben. Sie meint, so in drei Wochen ließe sich das machen.«
Ich habe mir vorhin den Madonna-Spruch schon mal auf ein Stück Pappe gemalt, das ich vorher mit weißer Acrylfarbe grundiert hatte.
Für die Buchstaben habe ich selbstverständlich edles Anthrazit-Schwarz verwendet.
Ich finde den Spruch nämlich immer noch gut, und so etwas hat man doch gerne schwarz auf weiß.
Australien also!
Ich war ja tatsächlich schon ein ganzes Weilchen auf der Suche gewesen nach einem neuen Abenteuer, einem neuen Ziel, einem neuen Horizont.
Indien, Thailand und so manch anderer Ausflug waren mir auch nach und nach und oft so nebenbei in den Schoß gefallen, und alle Trips entpuppten sich immer als ganz einmalige Erlebnisse.
Es wird mir immer klarer, worum es in meinem Leben vorrangig zu gehen scheint: Chancen zu ergreifen, wann und wenn sie sich bieten!
Das musste ich allerdings zuerst einmal lernen, die Fähigkeit dazu wurde mir nicht in die Wiege gelegt, beileibe nicht. Noch dazu war ich mit Eltern gesegnet, die beide – mein Vater allerdings wesentlich mehr als Mama – nach Sicherheiten im Leben strebten. Und, was wahrscheinlich sogar noch schlimmer ist, es nicht ertragen konnten, vermeintlich »unsicheren« Situationen ausgesetzt zu sein. Mein Vater wollte immer am liebsten im Voraus wissen, welche Folgen eine Entscheidung nach sich ziehen würde. »Würde«, nicht »könnte«!
Er übersah dabei stets, dass er weder an Hellseherei noch Horoskope glaubte! Wie also konnte man wissen – und es ihm dann sagen – , was passieren würde?
Für sein eigenes Leben hielt er es dann meist so, dass er einmal eingefahrene und erprobte Vorgehensweisen nur ungern, falls überhaupt, aufgeben mochte.
Mit anderen Worten: Er wäre niemals einfach so für Monate nach Australien gegangen.
Ich tat mich bis fast Mitte zwanzig demzufolge mit solch tollkühnen Entscheidungen ebenfalls schwer. Deshalb konnte ich auch viele Jahre lang das für mich eher nutzlose Chemiestudium nicht einfach hinschmeißen, wusste ich so doch zumindest, wo ich einige Male in der Woche hinzugehen hatte.
Das hat sich zum Glück vor einiger Zeit geändert, wenn auch mehr oder weniger nur durch puren Zufall. Was aber egal ist, wichtig ist ja nur, dass es sich geändert hat. Endlich und zum Glück.
Und jetzt gehe ich also mit dem derzeitigen Herzensmann nach Australien. Wer sagt es denn …
Keine Ahnung, was zwischen mir und Philipp letztendlich passieren wird, aber eines ist schon mal klar: Dieses Abenteuer mit ihm nehme ich mit.
Ich habe bereits beschlossen, mich drüben eingehend mit der Kunst der Aborigines zu befassen. Somit kann ich das Ganze als
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