Wilder Eukalyptus
Grundstück.«
Gemma lehnte sich gegen den Türrahmen und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Sie kämpfte mit
den Tränen. »Ich musste mit ansehen, wie mein Mann gestorben ist. Mein Vater hatte vor Kurzem einen Herzinfarkt. Ich versuche, ohne finanzielle Rücklagen eine riesige Farm zu bewirtschaften und nebenbei den Kredit an Adams Eltern abzubezahlen, weil die Farm unser gemeinsamer Lebenstraum war. Wenn ich Billbinya aufgebe, gebe ich Adam auf. Und nun muss ich mir auch noch von meiner besten Freundin und meinem eigenen Bruder Lügen über meinen Mann anhören.«
Jess und Pat blickten sie schweigend an. Jess stand schließlich auf, ging zu Gemma und umfasste das Gesicht ihrer Freundin mit beiden Händen. »Gemma, du bist meine beste Freundin. Ich will dir nicht wehtun. Eigentlich versuche ich seit Adams Tod, für dich da zu sein, so gut es geht, wenn auch hauptsächlich am Telefon. Du hast recht, ich konnte Adam nie besonders gut leiden, aber glaub mir, das tut nichts zur Sache. Wir reden hier von organisiertem Viehdiebstahl. Die Angelegenheit ist ernst, Gem, und wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Pat hat mir von den fremden Schafen auf deiner Koppel erzählt. Zusammen mit den Gerüchten in der Stadt ergibt das kein gutes Bild.« Während ihres leidenschaftlich vorgetragenen Plädoyers blickte Jess Gemma fest in die Augen.
Gemma drehte sich langsam von Jess weg. Mit gekränkter und befremdeter Miene kehrte sie zurück an den Tisch, setzte sich auf ihren Stuhl und stützte den Kopf in die Hände. »Also schön, sagt mir, was ihr wisst.«
Pat und Jess wechselten einen Blick, und Pat nickte Jess auffordernd zu. Sie nahm auch wieder Platz und begann gleich darauf, in ruhigem Ton zu sprechen.
»Die Gerüchteküche im Distrikt brodelt schon seit einiger Zeit, Gem. Ich kann nicht genau sagen, wann das Gerede angefangen hat, vielleicht vor einem Jahr, vielleicht auch schon früher. Zuerst habe ich nichts darauf gegeben. Du weißt ja selbst, dass auf dem Land gerne getratscht wird. Du und Adam, ihr wart erfolgreich. Ihr habt diese riesige Farm von seinen Eltern übernommen und wirklich etwas daraus gemacht. Ihr habt neue Grassorten gepflanzt, ihr hattet den größten Viehbestand im gesamten Distrikt, und ihr habt offenbar genug erwirtschaftet, um die Hypothek problemlos abzubezahlen.«
»Irgendwann kamen die ersten Gerüchte auf, weil immer mal wieder kleinere Schafherden verschwanden. Beim Scheren oder wenn die Lämmer markiert werden sollten, fiel dann auf, dass die Anzahl der Tiere nicht stimmte. Auch bei den Kälbern gab es einen leichten Schwund. Zunächst hat sich keiner etwas dabei gedacht. Ich meine, welcher Farmer verzählt sich nicht schon mal bei seinem Vieh? Außerdem gab es ja noch die Möglichkeit, dass es sich nur um Ausreißer handelte, die irgendwann von einem Nachbarn entdeckt werden würden. Aber es meldete sich nie ein Nachbar.
Du darfst nicht vergessen, ich arbeite in einer Bank. Ich vergebe Kredite an die Geschäftsleute in der Stadt, aber zu meinen Kunden zählen auch viele Farmer aus der Umgebung. Ich habe Einsicht in die Jahresbilanzen meiner Kunden, in denen zum Beispiel auch die Viehbestände aufgeführt sind. Manche Farmer haben im Vergleich zum Vorjahr zehn Prozent von ihrem Vieh verloren. Das ist sehr viel, wenn man sich ohnehin nur knapp über Wasser halten kann.«
Gemma fiel Jess ins Wort. »Na und? Das beweist noch lange nicht Adams Schuld.«
»Das ist richtig, aber erinnerst du dich noch an unser Gespräch, als wir am Bach gecampt haben? Du hast mir erzählt, die Zahlen in den Büchern würden nicht stimmen. Du hast gesagt, der Schaf bestand ist deutlich höher, aber dafür fehlen dir dreihundert Ochsen, die du an den Mäster liefern musst. Du musst doch selbst zugeben, dass das verdächtig ist. Außerdem hat die Polizei einen anonymen Tipp bekommen, der Adam belastet - frag mich bitte nicht, woher ich das weiß. Und es gibt noch eine unerfreuliche Nachricht, Gemma. Brad kannte Adam offenbar schon, bevor er mir begegnet ist. Anscheinend haben sie sich öfter im Pub getroffen. Ist Adam auch mal alleine nach Dawns Rest gefahren, ohne dich mitzunehmen?«
Gemma rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. Es war tatsächlich öfter vorgekommen, dass Adam erst spätnachts von den Treffen der Agrargemeinschaft nach Hause kam. Er mochte es, mit den Jungs gepflegt ein Fässchen zu leeren, wie er es einmal ausgedrückt hatte. Gemma nickte widerstrebend.
»Dachte ich’s
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