Wilder Eukalyptus
Grunde ein Kinderspiel, in dieser Gegend selbst große Tierherden verschwinden zu lassen.
Aus seiner Berufspraxis wusste Dave, dass es einen großen Schwarzmarkt für Vieh gab. Er hatte in zahlreichen Fällen gegen Viehräuber und Schlachthof besitzer ermittelt. Oft kamen die Diebe ungeschoren davon, außer sie wurden auf den Viehmärkten erwischt oder waren bereits zuvor der Polizei ins Netz gegangen. Eine neue Variante, die Dave vor Kurzem begegnet war, bestand darin, gezielt Schafe in voller Wolle zu entwenden, zu scheren, die Wolle zu verkaufen und anschließend die nackte Herde zurück auf ihre Weide zu bringen. Das war an Dreistigkeit kaum zu überbieten, aber es hatte schon ein, zwei Fälle dieser Art gegeben.
Dave gab es auf mit dem Zaun, ging zurück zum Wagen und warf einen Blick auf den Kilometerzähler. Er hatte sich sämtliche Strecken notiert, die er heute zurückgelegt hatte, damit er nach seiner Rückkehr in Pirie ein Zeitschema ausarbeiten konnte. Er hoffte, mithilfe des Kilometerstands später auf der Karte die Stelle zu finden, wo er sich gerade befand, und zu ermitteln, wem die Schafe im Pferch gehörten, damit er gleich morgen früh den Besitzer verständigen konnte. Er drehte den Zündschlüssel, ließ die Kupplung kommen und wendete den Wagen wieder in Richtung Port Pirie.
Als Gemma das Haus betrat, hörte sie das Telefon klingeln. Sie verließ sich auf den Anrufbeantworter und ging direkt unter die Dusche, weil sie es kaum erwarten konnte, den anstrengenden Tag von sich abzuwaschen. Keine zehn Minuten später klopfte es an der Badtür. Patrick war gekommen.
»Ich bin gleich fertig«, rief Gemma.
»Was gibt es zum Abendessen? Ich habe Kohldampf!«, rief Pat zurück.
»Das weiß ich noch nicht.«
Wenige Minuten später betrat Gemma die Küche, während sie mit einem Handtuch ihre Haare trocken rubbelte. »Jess!«, stieß sie freudestrahlend aus, als sie ihre beste Freundin am Küchentisch entdeckte, wo sie gerade auf Pat einredete. »Schön, dich zu sehen, aber was zum Henker machst du hier?«
Jess stand auf und kam hinter dem Tisch vor, um Gemma zu umarmen. »Wie, darf ich nicht einfach vorbeikommen und meiner besten Freundin guten Tag sagen?«
»Doch, natürlich, trotzdem ist das ziemlich ungewohnt. Aber wenn du schon einmal hier bist, kannst du uns gerne bekochen.«
Jess öffnete daraufhin den Kühlschrank und machte eine einladende Geste. »Schon erledigt. Ich habe selbst gemachte Lasagne mitgebracht. Die muss nur aufgewärmt werden, und dazu mache ich einen frischen Salat. Und, was gibt es Neues bei dir?«
»Ich wollte dich gerade dasselbe fragen«, sagte Gemma und sah Pat und Jess abwechselnd an. Beide wichen ihrem Blick aus.
»Ich habe momentan Urlaub«, antwortete Jess. »Ich habe mir ein paar Wochen freigenommen, um mal wieder die gute Landluft zu schnuppern.«
»Verstehe«, sagte Gemma und verschränkte die Arme vor der Brust, ohne die geringsten Anstalten zu machen, sich an den Tisch zu setzen. »Netter Versuch.«
Pat und Jess wechselten einen Blick.
»Na schön, also gut, ich sag’s ihr«, stieß Jess kläglich hervor.
»Was willst du mir sagen?«, fragte Gemma.
»Setz dich erst mal hin. Gem, ich wollte dir das schon bei meinem letzten Besuch sagen, aber irgendwie habe ich nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden und …« Jess verstummte.
»Dann sag es mir jetzt.« Gemmas Stimme klang streng, aber ihr Gesicht war blass geworden, und in ihren Augen lag ein ängstlicher Ausdruck. Sie legte sich das Handtuch um den Hals, zog einen Stuhl heran und setzte sich.
»Gemma, in Pirie geht das Gerücht um, dass Adam zu den Viehdieben gehörte.« Jess holte tief Luft und fuhr dann fort: »Die Leute munkeln schon länger. Manche denken sogar, dass Adams Flugzeugabsturz kein Unfall war, sondern ein Mordanschlag, weil Adam aussteigen wollte.«
»Das glaube ich nicht!«, stieß Gemma hervor. »Adam ist tot und kann sich nicht mehr gegen diese Gerüchte wehren. Ich weiß ja, Jess, dass du ihn nie besonders gut leiden konntest, aber ich hätte nie von dir gedacht, dass du so tief sinkst und diesen absoluten Bullshit über ihn verbreitest.« Gemma sprang wütend von ihrem Stuhl auf und stapfte zur Tür. Pats Stimme brachte sie abrupt zum Stehen.
»Schwesterherz, ich weiß, es ist nicht leicht für dich, aber trotzdem solltest du dir das anhören - das war nämlich noch nicht alles. Außerdem müssen wir uns was einfallen lassen wegen der fremden Lämmer auf deinem
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