Wilder Eukalyptus
setzte sich neben sie.
»Kein Problem. Brad ist auch noch nicht da.« Jess zwang sich zu einem Lächeln. »Und, hattet ihr eine schöne Zeit?«
»Ja, hatten wir. Allerdings konnte ich Ben nicht davon überzeugen, dass es in dieser Region ratsam ist, kleine Rinderrassen zu züchten. Große Rassen brauchen nämlich viel mehr Futter, um Gewicht zuzulegen, und das geben die Weiden hier nicht her.«
»Da kann ich nicht mitreden«, sagte Jess und grinste. »Habt ihr euch eigentlich auch über etwas anderes unterhalten als nur über die Viehzucht? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, dieser eingefleischten Farmerin hier beizubringen, dass es noch andere schöne Dinge gibt auf der Welt. Können Sie mir nicht dabei helfen, Ben?«
»Ich bezweifle sehr, dass gerade ich der Richtige dafür bin. Gemma hat mir übrigens erzählt, dass Sie auch gerne am Lagerfeuer übernachten. Haben Sie einen Lieblingsplatz, Jess?«
»Ja, also …« Jess begann von einem Zelturlaub mit ihren Eltern vor fünfzehn Jahren zu erzählen und geriet dabei ins Schwärmen.
»Das Farbenpanorama war einfach unbeschreiblich, und man durfte nur an bestimmten Stellen zelten, wo man sicher war vor den Krokodilen … Die Landschaft ist noch richtig urwüchsig, manche sagen sogar prähistorisch, aber sie kann schließlich nicht älter sein als der Kontinent, oder? Mir hat es dort super gefallen, auch wenn man mit meinen Eltern nicht gerade wilde Partys feiern kann. Aber es war trotzdem sehr schön, mal einen ruhigen Urlaub mit meinen Leuten zu verbringen und das Top End zu erkunden. So eine Abgeschiedenheit habe ich
nie wieder erlebt. Ah, da ist er ja«, sagte Jess plötzlich und schwenkte die Arme, um Brad auf sich aufmerksam zu machen, der gerade hereingekommen war. »Sieht aus, als wäre er betrunken. Dann kriegt er immer so rote Wangen, richtig süß.«
Die Blicke von Ben und Gemma trafen sich über den Tisch hinweg. Ben zog eine Braue hoch und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln.
»Hallo zusammen, wie ist die Stimmung? Ah, da ist ja meine bezaubernde Traumfrau.« Brad beugte sich herunter und gab Jess ein Küsschen auf die Wange. Dann ging er um den Tisch herum und schüttelte Ben die Hand. »Dein Einsatz auf dem Platz heute war große klasse. Wir hatten nämlich in letzter Zeit eine kleine Torflaute«, sagte er.
Dann wandte er sich an Gemma. »Mrs. Sinclair«, begrüßte er sie höflich. »Wie reizend, Sie wiederzusehen.« Er nahm ihre Hand und beugte sich herunter zu einem Handkuss.
Gemma zog sachte ihre Hand zurück und verbarg ihr Unbehagen hinter einem Lächeln. »Ich freue mich auch, Brad. Wie war das Spiel?«
»Nicht schlecht, gar nicht so schlecht. Leider haben wir wieder verloren, darum brauche ich jetzt dringend was zu trinken. Noch jemand?« Die anderen verneinten.
Nachdem sie das Essen bestellt hatten, kreiste das Gespräch um die lokale Farmwirtschaft. Brad ließ sich über die hiesigen Farmer aus, die er in gute und schlechte einteilte. Für seine Beurteilung schien ausschlaggebend zu sein, wer seine Beratung zu Weidehaltung und -bepflanzung annahm und wer nicht. Je länger Brad erzählte, desto stärker wuchs Gemmas Unbehagen. Sie sah zu Jess,
die bereits einen genervten Eindruck machte. Ben hörte Brad still zu.
Nachdem der Espresso bestellt war, lehnte Brad sich auf seinem Stuhl zurück und streckte die Beine aus. »Und, Gemma, wie finden Sie das Farmerleben, jetzt, wo Sie auf sich alleine gestellt sind?«
»Es ist okay. Bulla und Garry, meine beiden Viehtreiber, sind mir eine große Hilfe. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie tun würde.«
»Und wann werden Sie verkaufen?«
»Das geht dich überhaupt nichts an, Brad«, warf Jess ein, bevor Gemma antwortete: »Oh, ich habe nicht vor zu verkaufen.«
»Wissen Sie, ich denke aber, genau das sollten Sie tun.« Die Anspannung am Tisch war für jeden spürbar, außer für Brad, der unbekümmert weiterredete. »Es ist doch besser, die Farm jetzt zu verkaufen, solange sie noch Gewinn abwirft, bevor die Bank den Geldhahn zudreht. Hören Sie endlich auf, uns allen etwas vorzumachen.«
Gemma verschlug es die Sprache. Sie spürte Bens Hand, die er tröstend auf ihr Knie legte. Ihre beste Freundin sah aus, als würde sie jeden Moment explodieren.
Jess schob ihren Stuhl zurück und stand auf, mit wutverzerrtem Gesicht und eisiger Stimme. »Brad, dein Benehmen ist unverzeihlich. Wie kannst du so etwas zu Gemma sagen, wo du sie doch erst zum zweiten Mal siehst? Ich denke, der Abend
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