Wilder Eukalyptus
Tisch und Bänke schimmerten, der Boden glänzte, und Gemma war geschafft. Jack hielt zwar einigermaßen Ordnung, aber eine Küche benötigte nun einmal eine weibliche Hand.
Bei der Vorstellung, dass wieder ein einsamer Abend vor ihr lag, stieß Gemma einen Seufzer aus. Die Gesellschaft
von Patrick und Jess, wenn sie auch nicht von langer Dauer war, hatte ihre Einsamkeit gelindert, die ihr zuvor gar nicht so bewusst gewesen war. Endlich mal wieder Leben im Haus, endlich jemanden, mit dem man sich unterhalten, eine Kaffeepause machen konnte. Gemma hatte sich dabei ertappt, dass sie nachts auf die Geräusche ihrer Gäste horchte, wenn jemand auf die Toilette musste oder sich was zu trinken besorgte. Es waren tröstende Geräusche, und sie hatte sich weniger einsam gefühlt. Vorhin im Auto war Gemma mit Schrecken bewusst geworden, dass sie eigentlich gar keine Lust hatte, nach Billbinya zurückzukehren. Dort war sie von der Außenwelt isoliert, und seit die Polizei wegen der Viehdiebstähle ermittelte, spürte sie eine leise Angst im Nacken.
Gemma wusste, dass die bevorstehende Arbeit und die vielen Menschen auf dem Hof ihre Laune heben würden, aber sie fragte sich trotzdem, wie sie den Abend alleine überstehen sollte. Plötzlich kam ihr eine Idee.
»Jack?«, rief sie laut. »Bist du noch da?«
»Ja«, kam es gedämpft zurück.
»Ich habe mir überlegt, Bulla und Gaz anzurufen und sie zum Abendessen einzuladen. Wir könnten grillen und auf eine erfolgreiche Schur anstoßen. Hast du Lust?«
»Ja, klingt gut.«
»Prima, dann bis später.« Gemma packte ihre Putzsachen zusammen und ging hinüber ins Haus, um Bulla und Garry anzurufen.
Gemma erhob ihr Glas und brachte einen Toast aus: »Auf eine erfolgreiche Schur, auf eine erstklassige Wolle und auf anständige Wollpreise. Cheers.«
»Cheers«, erwiderten die Männer. Das Fleisch brutzelte auf dem Grill, die Salate waren bereits angerichtet und standen auf dem Tisch. Zum Glück kümmerte sich Bulla um das Fleisch.
Jack hielt sich ein wenig abseits und beobachtete die anderen. Er sah, dass Gemma in Garry und Bulla zwei liebevolle Beschützer gefunden hatte. Er wusste, dass er in diesen engen Kreis nicht vordringen oder ihnen irgendwelche Informationen über Adam entlocken konnte. In Jacks Anwesenheit wurde selten über Adam gesprochen.
Jack war es gewohnt, ein Außenseiter zu sein. Schon in der Schule stand er immer abseits und hatte nie richtige Freunde. Umso größer war seine Aufregung, als er von seinem Bruder erfuhr. Er hatte einen Bruder! Jemanden, mit dem man auf die Jagd gehen konnte und zum Saufen. Oder auf Diebestour. Jack war bei der Polizei bereits einschlägig bekannt, als sein Bruder in sein Leben trat. Jacks Mutter hatte ihren Sohn längst abgeschrieben, und sein Vater hatte sich schon vor langer Zeit aus dem Staub gemacht.
Nachdem sein Bruder ihn ausfindig gemacht hatte, war Jack geradezu überwältigt von der Tatsache, dass er noch Familie hatte, jemanden, der für ihn da war. Es dauerte nicht lange, und die beiden Halbbrüder hatten eine enge Beziehung aufgebaut. Aber es war Jack, der dies am meisten genoss.
Kapitel 19
C raig liebte den Geruch auf Tiermärkten und das geschäftige Treiben. Es gab dort immer so viel zu sehen. Hunde, die bellten, Ausstellungsvieh, das in die Gehege getrieben wurde, Gittertore, die sich klirrend hinter den Tieren schlossen, Auktionatoren, die mit den Händlern vor Verkaufsbeginn plauderten, sowie die beiden obligatorischen alten Männer, die garantiert irgendwo auf einem Gitter saßen und über die Saison und die Preise diskutierten. Craig konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft er im Vorbeigehen den Satz gehört hatte: »Damals, als ich noch ein junger Bursche war …«
Er beobachtete, wie die Rinder abgeladen und in das Gehege getrieben wurden. Laut schnaubend und brüllend rannten die Tiere durch die Schleuse über das Steinpflaster, auf der Suche nach einem Ausweg oder einem offenen Tor. Craig hörte jemanden rufen: »Pass auf, Mann«, und drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, um zu sehen, wie ein junger Mann auf der Flucht vor einem Brahman-Bullen in letzter Sekunde auf das Gitter hochkletterte.
»Das sind bestimmt wilde Stiere aus dem Norden«, bemerkte ein Mann, der neben Craig stand.
»Jedenfalls war das knapp«, antwortete Craig und ging weiter. Er benutzte die Leiter, die zu den Laufstegen über den Gehegen führte. Auf Viehmärkten waren solche
Stahlgerüste üblich, damit die
Weitere Kostenlose Bücher