Wilder Eukalyptus

Du weißt ja, wonach du suchen musst.«
    Jess begann, die Umschläge zu öffnen. Gemma nahm sich den restlichen Inhalt vor. Ein Schreiben mit dem Briefkopf von Ned und Berts Viehagentur listete die Ochsenstückzahlen samt Preis auf, die an den Mäster geliefert worden waren. Das beantwortete schon einmal eine Frage. Gemma blätterte weiter durch den Stapel. Er enthielt Postkarten, die sie Adam geschickt hatte, als sie mit Jess im Urlaub war, Ansichtskarten von Alice Springs und Darwin. Sie entdeckte auch eine Geburtstagskarte von
Adams Vater, in der er schrieb, wie stolz er sei, dass sein Sohn nun das zwölfte Lebensjahr erreicht habe. Ganz unten kam ein Umschlag zum Vorschein, auf dem Gemmas Name stand. Beim Anblick der vertrauten Schrift krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie holte tief Luft, bevor sie den Umschlag öffnete und den zusammengefalteten Brief herausnahm. Dabei rutschte ein schmalerer, zugeklebter Briefumschlag heraus, beschriftet mit: FÜR DIE POLIZEI. Darunter stand, kleiner geschrieben: Gemma, bitte lies das nicht .
    Gemma legte den Briefumschlag auf den Tisch.
    »Was haltet ihr davon, wenn ich uns einen Kaffee mache? Ich glaube, den können wir jetzt alle vertragen«, sagte Patrick.
    »Gute Idee«, murmelte Jess, halb vertieft in die Kontounterlagen.
    Gemma faltete den Brief auseinander und begann zu lesen:
    Liebe Gemma,
    als Erstes möchte ich dir sagen, dass es mir unheimlich leidtut und dass ich dich sehr liebe. Du bist das Beste, was mir je im Leben passiert ist, und was ich dir nun schreibe, wird dich sehr verletzen. Es tut mir furchtbar leid.
    Vor drei Jahren hatte ich Probleme, die Rate für die Farm aufzubringen. Du weißt so gut wie ich, wie schwierig unsere Situation damals war - wochenlang kein Regen, kein Futter, die Wolle war schlecht, und die Preise waren es auch. Es gab Zeiten, in denen ich daran zweifelte, dass wir das Jahr überstehen, geschweige denn das nächste.
    Ich wusste nicht mehr ein noch aus, Gem. Jeder wollte
etwas von mir. Die Bank, meine Eltern, die Agrargemeinschaft, die ich selbst ins Leben gerufen habe. Wirklich jeder. Selbst du, Gem. Ich hatte das Gefühl, als würde mir alles über den Kopf wachsen.
    Eines Abends lernte ich in Dawns Rest einen Mann kennen, der mir einen Ausweg aus meiner Zwangslage präsentierte: Viehdiebstahl. Ich nehme an, es muss etwas passiert sein, was dich veranlasst hat, nach den versteckten Unterlagen zu suchen. Also weißt du wohl schon ein bisschen über die Sache.
    Ich habe Billbinya als Zwischenlager für gestohlenes Vieh zur Verfügung gestellt.
    Die Details sind in dem verschlossenen Briefumschlag, der für die Polizei bestimmt ist. Ich habe genau beschrieben, wie die ganze Sache ablief und wer alles daran beteiligt war und auch, dass du keine Ahnung davon hattest. Mein Geständnis wird dich entlasten. Gem, es war nie von mir geplant, so lange in dem Kartell mitzumischen. Ich möchte gerne aussteigen, aber ich weiß nicht, wie. Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, sind skrupellose Verbrecher, die vor nichts zurückschrecken. Du musst auf dich aufpassen.
    Ich bitte dich, Gem, wenn die ganze Geschichte einmal überstanden ist, verkaufe die Farm. Es ist zu schwer für einen alleine, Billbinya wirtschaftlich zu führen. Nimm den Erlös und geh woanders hin. Mit dem Geld bist du für die Zukunft abgesichert.
    Ich liebe dich, Gemma. Es tut mir sehr leid, was ich dir alles zumute. Aber ich bin sicher, du wirst es heil überstehen. Du warst schon immer die Stärkere von uns beiden. In Liebe
    Adam
    Tränen rannen über Gemmas Gesicht, während sie den Brief ein zweites Mal las und ihn anschließend Jess und Patrick gab.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Pat.
    Jess faltete den Brief sorgfältig und steckte ihn wieder in den Umschlag. Gemma nahm den Briefumschlag für die Polizei vom Tisch. Es juckte sie in den Fingern, ihn zu öffnen, aber sie wusste, das durfte sie nicht.
    »Ich werde Dave und Craig bitten, morgen zu uns rauszukommen. Dann übergebe ich ihnen das Handy, die Bankunterlagen und die Briefe, informiere sie über die gefälschte Unterschrift auf den Verträgen und überlasse dann alles Weitere der Polizei. Für mehr reicht meine Energie nicht«, sagte Gemma.
    Jess nickte. »Ja, ich schätze, das ist das Beste, was wir tun können. Wir haben nun mehr als genug Beweise, um Gemma von jedem Verdacht reinzuwaschen. Der gute, alte Adam hat doch glatt daran gedacht, ein schriftliches Geständnis zu hinterlassen, das Gem entlastet. Er