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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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zwängte, informierte Vanessa per Walkie-Talkie den Sicherheitsdienst im Resort sowie die Suchmannschaften, dass sie Ophelia gefunden hätten. »Sie ist verletzt!«, schrie sie gegen das Heulen des Windes an. »Die Krankenschwester soll sich bereithalten.«
    Zeb raste zurück nach The Grove, wo Abby und David warteten. Ophelia wurde in einen Caddywagen gepackt und zur Ambulanz gebracht, Zeb und Vanessa folgten zu Fuß.
    Abby saß besorgt an Ophelias Bett, unwillig, ihren Platz zu räumen. Auf ihrem Schoß lag ein Brief, den sie vor langer Zeit geschrieben hatte. Er war an ihre Tochter gerichtet und kündete von Liebe und Zuwendung und Versprechen. Abby hatte erst geglaubt, ihn Coco vorlesen zu können, dann Sissy. Jetzt wusste sie, dass er für Ophelia bestimmt war.
    Die Krankenschwester kam auf sie zu. »Ich muss mich jetzt um sie kümmern, Ms. Tyler. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn Sie wieder zu ihr können«, sagte sie.
    Abby zögerte. Nach all diesen Jahren, nach ihrer Suche und den vielen schlaflosen Nächten sollte sie einfach so weggeschickt werden? Sie blickte auf den Brief, dessen Umschlag schon vergilbt war, und ein anderer Mensch fiel ihr ein, der ebensolchen Schmerz empfand wie sie und der der Heilung bedurfte.
     
    Während David als Einziger bei Ophelia blieb, machte sich Abby in Richtung Jack Burns’ Häuschen auf, derweil Vanessa und Zeb vom Hauptgebäude aus in die Nacht hinaustraten und beobachten konnten, wie die Baumkronen von dem heftigen Wind gebeutelt wurden.
    »Sieht mir gar nicht gut aus«, meinte Zeb. »Ein Sturm ist nicht auszuschließen. Ich decke wohl besser die Voliere ab.«
    »Ich helfe Ihnen«, erbot sich Vanessa.
    Die Voliere ähnelte ihrer Form nach einem gigantischen Bienenkorb, allerdings einem aus Maschendraht, was sie transparenter und luftiger wirken ließ. Man hatte sie mit einer Plane versehen, die bei einem Sandsturm oder jedwedem Unwetter zum Schutz der Vögel heruntergelassen werden konnte. Als Zeb diesmal den Schalter betätigte, rührte sich nichts. Der Mechanismus klemmte.
    »Ich sag dem Wartungsdienst Bescheid«, sagte Vanessa.
    »Dazu ist keine Zeit mehr«, meinte Zeb und spähte hinauf zum oberen Ende des Käfigs, wo exotische Vögel aufgeregt herumflatterten und immer wieder an den Maschendraht prallten. »So verschreckt, wie sie sind, laufen sie Gefahr, sich selbst Verletzungen beizubringen.«
    Er wusste, dass es bei diesem Wind gefährlich war, die Drahtkonstruktion zu erklimmen, aber die Plane konnte nur per Hand heruntergelassen werden. »Ich werd außen raufklettern«, sagte er. Vanessa klopfte das Herz bis zum Halse, als sie mit ansah, wie Zeb an dem riesigen Käfig hinaufstieg. Wie eine Fliege klebte er am Gitter, hangelte sich Zoll um Zoll nach oben, derweil die Vögel kreischten und wild mit den Flügeln schlugen. Wenn sein Fuß einmal abrutschte oder seine Hand ins Leere griff, presste Vanessa erschrocken die Hände an den Mund.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Der Wind nahm an Stärke zu. Vanessa musste den Hals recken, um inmitten der Kakophonie
der Vögel, die sich in das Heulen des Windes mischte, den von der Dunkelheit verschluckten Zeb ausfindig zu machen. Und dann unvermittelt ein lautes Knacken, gefolgt von einem Surren.
    Vanessa sprang zurück, als sich die Plane nach unten entrollte. Die Vögel in der Voliere beruhigten sich allmählich.
    Zeb tauchte wieder auf, sprang auf den Boden.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Vanessa.
    Er lachte. »Ich werd’s überleben.«
    Erleichtert darüber, dass er seine gefährliche Klettertour gut überstanden hatte, umarmte sie ihn impulsiv. »Das war heldenhaft!« Und ohne lange zu überlegen, küsste sie ihn auf den Mund.
    Zeb drückte sie an sich. Heldenhaft war er sich schon lange nicht mehr vorgekommen. Fürwahr ein schönes Gefühl.
    Mit einem Mal wieder ernst geworden, löste er sich von ihr. »Vanessa, ich muss Ihnen etwas sagen.«
    Sie hatte ja gespürt, dass ihn schon den ganzen Tag über etwas bedrückte. Jetzt, da er so förmlich wurde, wollte sie gar nicht mehr wissen, was. Aber sie schwieg und ließ ihn reden. »Ich habe vor, The Grove zu verlassen. Morgen werde ich meine Kündigung einreichen.«
    Ihre geheimen Sehnsüchte stürzten wie ein Kartenhaus zusammen. Sie trat einen Schritt zurück. »Wohin wollen Sie gehen? Wieder nach Afrika?«
    Er schüttelte den Kopf. »Da kann ich nicht mehr hin.«
    Der Wind umtoste die beiden, zerrte an ihrer Kleidung und an Vanessas Mähne. Farnsträucher

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