Wilder Oleander
und Palmwedel prallten aneinander, es schien, als würden selbst die Sterne vom Himmel gefegt werden. Zeb zog Vanessa in den Schutz einer steinernen Mauer. »Ich möchte Ihnen etwas sagen, was ich noch keinem erzählt habe.« Sein Gesicht war jetzt ganz nahe an ihrem. »Nach der Aufhebung der Jagdbeschränkungen in
Kenia wurde ich Fremdenführer für Fotosafaris. Als ich aber dann mitbekam, mit welcher Brutalität die Wilderer vorgingen und wie rücksichtslos die Tiere abgeknallt wurden, legte ich mich mit der Regierung an und empörte mich lauthals über deren Einstellung zur Jagd. Ganz schön riskant war das, man könnte es auch unvorsichtig nennen. Freunde rieten mir, lieber den Mund zu halten, aber dazu war mein Zorn viel zu groß. Selbst anonyme Drohungen vermochten mich nicht zu bremsen. Vanessa, ich war verheiratet. Nachdem meine Frau völlig unerwartet bei einem Autounfall getötet worden war, verließ ich voller Verbitterung das Land. Ich kann nicht mehr zurück.«
Vanessa wollte ihn trösten, ihm eine Perspektive aufzeigen. »Wirklich nicht? Immerhin sind seither zwanzig Jahre vergangen.«
Zeb blickte hinauf zu den vom Sturm gepeitschten Baumwipfeln, die sich gegen den schwarzen Himmel abhoben. So turbulent es dort oben zuging, war man hier unten, in einem windgeschützten Eck der Oase, gegen derlei Unbill gefeit.
Zeb schaute Vanessa an. Berührte ihr Haar, strich ihr über die Wange. »Meine Frau hat mich immer wieder ermahnt, die Klappe zu halten, die Wände hätten doch Ohren. Ich wollte nichts davon hören. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass die Geheimpolizei hinter
ihr
her war.«
»Das tut mir sehr Leid«, sagte Vanessa.
»Jetzt wissen Sie, warum für mich eine Rückkehr ausgeschlossen ist. Das verstehen Sie doch, oder?«
»Ich weiß, was Mord ist, und ich kenne die Polizei.« Und dann drängte es aus ihr heraus, als ob sich die Worte über zwölf Monate hinweg in ihr geformt und aufgestaut und auf den Augenblick gewartet hätten, ausgesprochen zu werden: Dass ein Zuhälter ihr die Zähne eingeschlagen und Vanessa ihm dafür den Schädel mit einem Baseballschläger gespalten
hatte, dass sie verhaftet und zu lebenslang verurteilt worden war, wie man sie im Gefängnis von White Hills schikaniert hatte, ein Jahr lang, bis es ihr gelungen war, die Haftanstalt in Flammen aufgehen zu lassen und zu fliehen. Das junge Mädchen namens Emmy Lou, die zu Abby Tyler wurde, erwähnte sie nicht, weil das Abbys Geschichte war und Zeb nichts anging. Aber er sollte über sie, Vanessa, Bescheid wissen, und wenn er sich deswegen von ihr abwandte, dann sollte es eben so sein.
Aber nichts dergleichen geschah. Verwundert hörte er ihr zu, und kaum dass sie ihre Beichte mit den Worten »Seither stehe ich auf der Fahndungsliste des FBI « beendet hatte, küsste er sie.
Sie erwiderte seinen Kuss, zog ihn, alles um sich herum vergessend, an sich. Dreiunddreißig Jahre war sie allein gewesen. Hatte es außer Abby niemanden für sie gegeben. Irgendwann einmal war sie in ihre Heimat nach Texas gefahren und hatte herausbekommen, dass ihre Mutter gestorben war und ihre Schwestern alle geheiratet und die Stadt verlassen hatten. Nichts band sie mehr an diesen Ort, auch von Mercy gab es keine Spur mehr. Also hatte sie dieses Kapitel ihres Lebens für beendet erklärt und keinen Gedanken mehr daran vergeudet. Jetzt aber, in den Armen dieses Mannes, dessen Küsse sie auskostete und dabei spürte, wie die Leidenschaft in ihr aufloderte, ahnte Vanessa, dass sich ein neues Kapitel auftat.
»Mein Gott«, murmelte Zeb und konnte den Blick nicht von ihr lösen. »Mein Gott … «
»Zeb, bist du sicher, dass es die Geheimpolizei war, die für den Tod deiner Frau verantwortlich ist?«
»Was soll diese Frage?«
»Du sprachst von einem Autounfall.«
»Das haben die so hingedeichselt.«
»Woher willst du das wissen?«
Er blinzelte, öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Und dann dämmerte ihm zum allerersten Mal überhaupt, dass er nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, wie es zu diesem Autounfall gekommen war.
»Er könnte sich rein zufällig ereignet haben«, gab Vanessa zu bedenken. »Manchmal bilden wir uns ein, alles dreht sich nur um uns, alle Welt spricht ausschließlich über uns und kümmert sich um nichts anderes als darum, was wir denken und tun. In Wahrheit schert das die Welt einen Dreck, weil sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Manchmal«, sagte sie mit Nachdruck, »ist ein Autounfall nichts
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