Wilder Oleander
weiter als ein Autounfall.«
Wenn Miriam vielleicht doch nicht seinetwegen hatte sterben müssen, überlegte Zeb, hieße das, dass es keinen Grund mehr gab, sich mit den Schuldgefühlen, die er schon so lange mit sich schleppte, herumzuquälen. Das ging zwar nicht von jetzt auf gleich, aber zumindest konnte er einmal diesem Gedanken nachgehen.
Eine Windbö wirbelte auf, erfasste sie. Zeb nahm Vanessa an der Hand, und sie rannten durch das aufgepeitschte Grün zu seiner Unterkunft, einer kleinen Suite hinter dem Bürotrakt. Vanessa, die zum ersten Mal Zebs Räumlichkeiten betrat, war überrascht, statt einem ostafrikanischen Ambiente mit Trommeln und Trophäen von Tieren an einer Wand Regale zu entdecken, die vollgestopft waren mit Taschenbüchern – Krimis und Science Fiction –, und an einer anderen eingerahmte Baseball-Karten, signierte Plakate, einen Fängerhandschuh in einer Schachtel sowie, auf einem von einem Spot angestrahlten Podest, einen Baseball mit einem einzigen Namenszug. »Dies«, sagte Zeb stolz, »ist ein offizieller Baseball der National League, mit dem Autogramm von Sandy Koufax, Weltmeister von 1959 und 1963 , dreimaliger no-Hitter,
der
Pitcher schlechthin. Wurde aufgenommen in die Hall of Fame und ist
das Prunkstück meiner Sammlung.« Er schaute Vanessa tief in die Augen. »Ich würde mich sofort von ihm trennen, um diese Nacht mit dir zu verbringen.«
Wieder küssten sie sich, zärtlicher jetzt, statt des wütenden Windes um sie herum sanftes Licht und aus der Stereoanlage gedämpfte Musik. Von Küssen begleitet, erforschte jeder den Körper des anderen, sie begeisterten sich an den Kontrasten von weiß auf schwarz, hart an weich. Die Gegensätze wirkten derart erotisierend, dass sie es gar nicht erst bis ins Schlafzimmer schafften.
Zeb vergrub das Gesicht zwischen Vanessas vollen braunen Brüsten und spürte, wie der Druck, der auf seinem Herzen lastete, nachließ. Diese Frau war nicht Miriam, sie war nicht Afrika, sie war sie selbst, war Vanessa durch und durch und warm und voller Mitgefühl. Und als Vanessa sich ihm öffnete, öffnete sie sich Afrika, weil er sie nicht nur mit seinem Körper liebte, sondern auch mit seiner Stimme, deren Akzent sie an einen sich endlos erstreckenden blauen Himmel und schneebedeckte Berggipfel denken ließ und an dunkelhäutige Menschen, die seit Urzeiten die rote Erde Kenias bevölkerten. Durch die Küsse, mit denen er ihren Körper bedeckte, verlieh er ihr eine neue Identität. Er murmelte zärtliche Worte in Suaheli. Sie schloss die Augen, und sie liebten sich wie im Angesicht des Kilimandscharos.
»Seit dem Abend, da ich dich zum ersten Mal sah, wünsche ich mir das«, sagte er, als sie sich erschöpft und befriedigt in den Armen lagen.
»Du bist ein weißer Mann, der sich viel Zeit lässt.«
»Und du eine schwarze Frau, mit der sich viel Zeit verbringen lässt.« Er schaute ihr in die schräg geschnittenen mandelförmigen Augen, erfüllt von diesem wunderbaren Geschöpf, das ihn von einem gefährlichen Abgrund weggerissen und ihm wieder das Gefühl gegeben hatte, ein Mann zu sein.
Und ihn an ockerfarbene Savannen unter der Sonne des Äquators denken ließ, an Dornen tragende Bäume und riesige Herden, die dort grasten, an den Kilimandscharo, dessen verschneiter Gipfel sich in der Ferne abzeichnete, und an diese unglaubliche Frau neben sich, die ihn nach Hause führte.
Kapitel 42
Während Vanessa und Zeb sich um die Voliere kümmern wollten, die Gäste Schutz vor dem Wind suchten und dienstbare Geister die Swimmingpools abdeckten, Gartenmöbel stapelten und die Freiluftbars verrammelten, eilte Abby zum Sierra Nevada Cottage.
Sie hatte bei Ophelia bleiben wollen, aber sie sah ein, dass der Hinweis der Krankenschwester auf Ophelias Erschöpfung und Dehydrierung vollkommen berechtigt gewesen war. Sie würde wiederkommen, wenn die Verletzte versorgt war und Besuch empfangen konnte.
Außerdem drängte es Abby, auch wenn sie es sich selbst kaum eingestand, Jack noch einmal zu sehen. Heute war dafür die letzte Möglichkeit. Wegen der Ankündigung »Du bist die Nächste« hatte sie ihren Abflug um einen Tag verschoben. Jemand wusste, wer sie wirklich war. Bevor sich die Drohung erfüllte, wollte Abby unbedingt die Wiederbegegnung mit ihrer Tochter bewerkstelligen. Ab sofort konnte jeden Augenblick die Polizei mit einem Haftbefehl und Handschellen auftauchen. Morgen um diese Zeit würde sie tausend Meilen entfernt sein.
Als Jack vorsichtig
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