Wilder Wein
Herrn Selzer mundtot machen zu können?«
»Kann ich das nicht?«
Ingrid Rehbein überlegte kurz. Dann entschloß sie sich, Herrn Selzer über Bord gehen zu lassen; dieses Kapitel sollte seinen endgültigen Abschluß finden.
»Nein, das können Sie nicht«, erklärte sie.
»So?«
»Herr Selzer interessiert mich nämlich nicht mehr. Ich habe eingesehen, daß ich ihn nicht liebe. Was immer er dazu sagen mag, wird daran nichts mehr ändern.«
»Aha.«
»Versprechen Sie sich also nichts davon, ihm zu berichten, daß ich ihn mit Herrn Brühe betrogen habe.«
»Soso. Dann ist es ja nur gut, daß ich noch ein zweites Eisen im Feuer habe.«
Ingrid Rehbein nahm das nicht ernst. Sie glaubte wieder ganz obenauf zu sein und sagte: »Bilden Sie sich ein, was Sie wollen! Ihre Eisen ziehen nicht mehr! Ich empfehle Ihnen deshalb, sich ab sofort von Herrn Brühe zurückzuziehen!«
»Und ihn wieder Ihnen zu überlassen?«
»Wenn Sie so wollen – ja.«
Sylvia lächelte kalt.
»Und daß das Herrn Selzer interessieren könnte, ist Ihnen, sagen Sie, egal?«
»Völlig.«
»Aber wie steht's mit Herrn Zumberg?«
Gelähmtes Schweigen trat ein.
Barmädchen können eiskalt sein. Kann eine das nicht, hat sie ihren Beruf verfehlt.
Sylvia goß einen Cointreau ein, den sie nun – das war ihr Gag! – ihrer Kontrahentin präsentierte. Sie sagte dabei: »Den haben Sie jetzt nötig, wie?«
Ingrid nippte verwirrt an dem Glas, schob es zurück und stotterte: »Wo … woher wissen Sie …?«
»Ich habe Augen im Kopf.«
»Was heißt Augen im Kopf? Waren Sie in Trier? Haben Sie uns etwa gesehen?«
Sylvia war ein waches Geschöpf. Es war kein Holzhammer nötig, um sie hellhörig werden zu lassen. Hoppla, sagte sie sich, wieso fragte die mich, ob ich in Trier war? Ich wollte doch nur sagen, daß ich ihren Zumberg und sie hier schon länger beobachte – die Blicke, die sie sich zuwerfen … ihre Körperkontakte beim Tango … usw. Seiner Braut, der naiven, kleinen Anne, mag das nicht auffallen, auch dem alten, meistens angetrunkenen Selzer nicht, dem Idioten. Ich aber sehe solche Dinge, wenn die vier, wie gestern abend, hier weilen in der Bar und sich vergnügen. Kann auch sein, daß sich die Anne nicht viel draus macht. Manchmal kommt's mir schon so vor. Jedenfalls habe ich längst bemerkt, daß zwischen dem Zumberg und der Koblenzerin hier die Sache nicht mehr koscher ist. Aber nun hat sie mich sogar gefragt, ob ich in Trier war …
»In Trier«, antwortete Sylvia, »bin ich öfter, als es manchen Leuten lieb ist.«
»Jetzt müssen Sie nur noch behaupten, daß Sie uns gesehen haben.«
»Ich bin euch sogar gefolgt«, ging Sylvia aufs Ganze.
»Gefolgt? Wohin?«
»Bis zu eurem Unterschlupf.«
»Ich weiß nichts von einem Unterschlupf.«
»Aber ich!« sagte mit Nachdruck Sylvia, die immer sicherer wurde, auf der richtigen Fährte zu sein. »Zumbergs silbergrauer Porsche wäre mir auf dem Parkplatz dort von ganz alleine aufgefallen, dazu hätte ich euch beide gar nicht sehen müssen. Ich kenne die Nummer. Sagen Sie ihm, daß er das nächste Mal seinen Schlitten besser in einer Tiefgarage versteckt.«
»Wenn ein Auto vor einem Hotel oder einer Pension steht«, setzte sich Ingrid verzweifelt zur Wehr, »kann man daraus immer noch nicht schließen, mit wem sich der Besitzer des Wagens dort einquartiert hat.«
»Wir können ja seine Braut fragen, ob es mit ihr war«, sagte Sylvia trocken.
Endlich gab Ingrid die Partie verloren.
»Nein!« rief sie spontan.
»Im übrigen«, ließ Sylvia nicht locker, um ihrer Kontrahentin den letzten Rest zu geben, »verstehe ich Ihre Aufregung nicht. Wenn Sie, wie Sie den Anschein erwecken wollen, mit Herrn Zumberg nichts haben, kann es Ihnen doch egal sein, wenn er erfährt, daß Sie mit Herrn Brühe geschlafen haben und weiterhin mit ihm zu schlafen gedenken.«
»Nein!!« rief Ingrid verstärkt noch einmal.
»Was nein? Daß Sie mit Herrn Brühe nicht mehr zu schlafen gedenken? Oder daß Herr Zumberg nichts davon erfahren darf?«
»Beides!«
»Na also«, nickte Sylvia, »dann sind wir uns ja einig. Sie schlagen sich meinen Brühe aus dem Kopf, und ich unterlasse es, den Wissensstand Ihres Zumberg zu erweitern. Einverstanden?«
»Ja.«
»Das hätten wir aber eher haben können«, beendete Sylvia das Gespräch, dessen Verlauf sich Ingrid Rehbein wahrlich anders vorgestellt hatte.
Ein wunderschöner Abend war angebrochen. Die Hitze des Tages hatte sich verflüchtigt, die Luft war nun lau. Am
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