Wildes Begehren
gesetzt hatte, war sie sein erstes Ziel gewesen. Zwei Tage hatte er damit verbracht, sie zu reparieren und Vorräte zu deponieren, damit das Team, falls nötig, ein Basislager hatte – nicht aus sentimentalen Gründen. Er war kein gefühlsbetonter Mann. Eigentlich hätte er sich sofort mit Rio treffen sollen, doch er hatte Zeit gebraucht, um sich wieder einzugewöhnen. Und er hatte seine Mutter sehen wollen. Nun wusste er, warum sie nicht da gewesen war.
Seltsamerweise hatte die Hütte so gewirkt, als wäre sie noch kürzlich bewohnt gewesen, weshalb er sich fälschlicherweise
in Sicherheit gewiegt hatte. Draußen auf dem Tisch hatte er sogar ein paar alte Holzspielsachen von sich gefunden – einen Lastwagen und ein Flugzeug – und sich vorgestellt, wie seine Mutter diese Dinge betrachtete und an ihre gemeinsame Zeit in der Hütte zurückdachte. Jetzt wusste er nicht mehr, was er davon halten sollte.
Conner stellte Isabeau auf die Füße und sprang in die Höhe, um eine Liane heranzuziehen. Dann hangelte er sich auf die kleine Veranda und ließ den anderen eine Leiter herab, die aus fest verflochtenen Lianen gefertigt war. Schließlich warf er ihnen noch einige Kleiderbündel zu, denn er wusste, dass die Männer nach der Verwandlung Kleider brauchen würden, dann kletterte er wieder nach unten.
»Ich weiß nicht, ob ich die Stufen hinaufkomme«, gestand Isabeau, »mein Arm ist ziemlich steif geworden.« Doch noch während sie ihre Zweifel anmeldete, griff sie nach der Leiter.
»Ich kann dich tragen«, bot Conner an, »aber dann muss ich dich über die Schulter nehmen.«
Als Isabeau versuchte sich hochzuziehen, zuckte sie zusammen und stöhnte vor Schmerz. »Das ist ganz schön hoch. Ich denke, ich werde meinen Stolz herunterschlucken und mich einfach von dir Huckepack nehmen lassen«, sagte sie und trat einen Schritt von der Leiter zurück.
Conner bedeutete Adan zur Hütte hinaufzusteigen, und wandte sich dann an Jeremiah. »Du wartest hier unten auf mich. Wir werden uns noch ein wenig unterhalten, ehe ich dich reinlasse.«
Der Blick des Jungen verriet, dass er nervös war, doch er nickte tapfer. Ohne Umschweife nahm Conner Isabeau auf die Schulter und trug sie nach oben. Sie war nicht mehr
ganz sicher auf den Beinen, und ihre Wunden mussten versorgt werden. Sie sollte Antibiotika nehmen und, wenn es nach ihm ging, noch jede andere Medizin, die sie dabeihaben mochte. Sie hatten zwar außer den Antibiotika noch einen Erste-Hilfe-Kasten, aber keine Schmerzmittel. Angeblich schlugen die bei Isabeau ja sowieso nicht an, doch er war sich nicht ganz sicher, was sie damit gemeint hatte. Dass sie angeschossen werden könnte, hatte er nicht mit einkalkuliert. Wenn Jeremiah sie nicht als Geisel genommen hätte, wäre das nie passiert – ein weiterer Fehler, für den der Junge büßen musste.
Er setzte Isabeau in den bequemsten Sessel – den seiner Mutter – und holte ihr ein Glas frisches Wasser aus dem Hahn über der Spüle. »Es stammt aus einer Quelle, die wir ganz in der Nähe entdeckt haben«, erklärte er.
Mit zitternder Hand nahm sie das Glas. Sie wirkte etwas mitgenommen, ihre Kleider waren durchnässt, und der Schreck steckte ihr noch in den Gliedern, aber sie brachte ein kleines Lächeln zustande.
»Mach dir keine Sorgen um mich. Das ist nur ein Kratzer. Bei der Arbeit habe ich mir schon Schlimmeres zugezogen.«
Conner erschien sie wie die schönste Frau der Welt. Dass ihr Haar in nassen Strähnen herunterhing und ihr bleiches Gesicht angespannt war, spielte keine Rolle. Sie hatte Mut und sie beklagte sich nicht, obwohl sie gerade Schreckliches durchgemacht hatte.
»Vielleicht erinnerst du dich noch, dass ich ein recht fähiger Medizinmann bin«, sagte Adan, der sich in die andere Seite des Raums zurückgezogen hatte, um Distanz zu wahren. »Isabeau hat Pflanzen und Kräuter bei sich, die ich benutzen könnte.« Voller Misstrauen gegenüber Conners Leopard
hielt er wie zur Besänftigung ihren Rucksack in die Höhe.
Conner schaute in den kleinen Spiegel, der auf Wunsch seiner Mutter über der Spüle hing. Er hatte immer noch Katzenaugen. Auch sein Kiefer schmerzte nach wie vor, und das Brennen in den Finger- und Zehenspitzen ließ auch nicht nach, so unnachgiebig kämpfte der Leopard um Freiheit.
»Ist es dir recht, wenn Adan deine Wunden versorgt? Er ist ein guter Medizinmann.« Seine Mutter hatte ihn oft ins Indianerdorf gebracht, wenn er sich verletzt hatte, und es war immer Adan gewesen, der
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