Wildes Blut
leisen Sohlen davon, um die Statue einer schönen Dame zu betrachten. Sie reckte sich, um sie zu berühren, aber im letzten Augenblick zog sie die Hand zurück. Dann bemerkte sie die glänzenden Leuchter auf der Anrichte. In diesem großen Raum gab es mehr Silber als in der ganzen Kapelle bei den Ursulinen! Und Gemälde, schöne Gemälde hingen an den Wänden. Keine religiösen Motive, sondern Darstellungen von Damen und Herren in prächtigen Kleidern.
"Darf ich wirklich hier bleiben?" piepste sie, als sie sich zu Nicholas und Mercedes umdrehte.
"Ganz bestimmt", entgegnete der Mann, der behauptete, ihr Papa zu sein.
Dann hörte man ein lautes Bellen aus der Halle, und Bufon stürzte auf sie zu. Mercedes fing den Hund ab, indem sie die Arme um seinen Hals schlang, ehe er das Kind umwerfen konnte. "Das ist Bufon", sagte sie und wich seiner leckenden Zunge aus. "Er mag kleine Mädchen sehr gern. Möchtest du ihn streicheln?"
Rosario hatte hinter Nicholas Schutz gesucht und sah dem Giganten zu, der sich verspielt mit der Senora balgte. "Er wird dir nichts tun", versicherte Nicholas und kniete nieder, um an den Hängeohren des Hundes zu zupfen.
Als beide Erwachsenen den zottigen Hund streichelten, beruhigte er sich und setzte sich nieder. Fragend legte er den Kopf schief und sah Rosario an. Sie ahmte seine Haltung nach und kicherte. "Er ist lustig." Schüchtern streckte sie eine Hand aus, und Bufon leckte sie ab. Überrascht zuckte sie zurück, aber dann machte sie es schnell noch einmal. Diesmal ließ sie es zu, dass er ihre Finger gründlich ableckte. Schritt für Schritt wagte sie sich näher heran, bis sie ihre beiden Hände im dichten Fell des Hundes vergraben konnte.
"Ich glaube, Bufon hat eine neue Freundin gefunden", sagte Nick amüsiert.
Angelina erschien in der Tür. "Ich habe frisches Gebäck mit Zucker und Zimt, das nur auf dich wartet", sagte die Köchin, als sie den Raum betrat. Sie sah auf das Kind hinunter. Ihr Blick wanderte von dem feingeschnittenen Gesicht des Mädchens und den charakteristischen Augen zum Gesicht des Patron und zurück. Sie nickte, dann streckte sie ihre große, verarbeitete Hand nach Rosario aus. "Ich bin Angelina, die Köchin."
Diesmal konnte Rosario nicht anders, als den Daumen in den Mund zu stecken. Nach ihrer Abreise aus dem Konvent hatte sie dies zur Beruhigung schon ein paar Mal getan. Weder Schwester Agnes noch die Mutter Oberin waren da, um es ihr zu verbieten.
Der schönen Dame und ihrem Papa schien es nichts auszumachen. Sie drückte Bufon fest mit dem anderen Arm. Zu viele Fremde waren freundlich zu ihr. Sie war nicht sicher, wie sie darauf reagieren sollte.
"Dies ist Rosario", entgegnete Nicholas anstelle des Kindes, das nur neugierig schaute. "Aber ich fürchte, du hast dich geirrt, Angelina." Er seufzte. "Kleine Mädchen scheinen sich nichts aus Süßigkeiten zu machen."
"O doch!" rief Rosario. Ganz plötzlich hatte sie ihren Daumen vergessen und stand auf. "Ich bin hungrig, und ich liebe Zimtgebäck." Sie sah den Mann mit dem lächelnden Gesicht flehentlich an.
Er nahm sie hoch und reichte sie in Angelinas weitgeöffnete Arme weiter, wohl wissend, dass diese sechs Töchter aufgezogen hatte und gut mit dem kleinen Mädchen umgehen würde. Rosario lehnte den Kopf an die Schulter der großen Frau und ließ sich ohne Widerspruch mitnehmen.
Als sie zusammen mit Bufon, der geduldig neben ihnen herging, aus der Halle verschwanden, sagte Mercedes: "Wir sind auf dieser Reise gut miteinander ausgekommen. Du hast ein natürliches Talent, mit Kindern umzugehen, auch wenn ich dies niemals vermutet hätte."
Nicholas lachte leise. "Ich auch nicht, aber mir scheint, es gefällt mir, Vater zu sein." Er rückte näher. "Jetzt müssen wir nur noch aus dir eine Mutter machen, nicht wahr?"
Mercedes fühlte seinen warmen Atem an ihrer Wange, aber er berührte sie nicht. Sie wusste, wenn sie aufschaute, würde wieder dieses spöttische Lächeln auf seinem Gesicht liegen. Sie rückte von ihm ab und ging auf seine Bemerkung nicht ein. "Ich werde dafür sorgen, dass Lupe das Zimmer am Ende der Halle für Rosario herrichtet."
"Das ist das Zimmer für den Erben, den du mir schenken wirst." Er wusste, sie hatte das Zimmer gewählt, weil es an ihr eigenes Schlafzimmer grenzte.
"Derzeit wird es nicht benutzt", gab sie ruhig zurück. Sie wollte auf seine deutliche Einladung nicht eingehen.
"Und genauso wenig wird dein Schlafzimmer benutzt werden, denn von nun an wirst du bei mir
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