Wildes Blut
"Es tut mir leid, dass deine Mutter gestorben ist, aber ich bin wirklich dein Vater. Jetzt ist es an mir, mich um dich zu kümmern. Du musst nicht Nonne werden und auch nicht in einem Kloster leben."
Das Kind sah von dem großen Mann zu der hübschen Dame.
Sie war in einer Welt von Frauen aufgewachsen und nicht ganz sicher, was seine Erklärung zu bedeuten hatte. "Du bist so schön wie ein Engel", sagte sie zu Mercedes. "Sie haben alle goldenes Haar, weißt du."
"Nein, das wusste ich nicht", antwortete Mercedes sehr ernst.
"Ich denke, ein paar Engel werden auch glänzendes schwarzes Haar mit Locken haben, so wie du." Sie berührte eine Strähne und dachte daran, dass es sich wie Luceros anfühlte, dann streichelte sie die Wange des Kindes und breitete die Arme aus.
Wie selbstverständlich sank Rosario an ihre Brust.
"Ist er wirklich mein Papa?" flüsterte sie schüchtern.
"Ja, das ist er", versicherte Mercedes dem Kind.
"Keines der anderen Kinder hat einen Papa. Ich war die einzige, die eine Mama hatte - bis ..."
Mercedes hielt Rosario ganz fest und ließ sie schluchzen, während sie ihr ganz leicht das Haar streichelte.
Nicholas fühlte einen verdächtigen Druck in der Brust. Er stand auf und sah die alte Nonne an. "Haben Sie einen Platz, an dem meine Gemahlin heute nacht schlafen kann? Wir können unsere Rückreise nach Gran Sangre nicht vor morgen früh beginnen, und die Gasthäuser und Cantinas in der Stadt sind nicht angemessen für eine Dame. Außerdem glaube ich, dass es leichter ist für Rosario, wenn sie die Nacht hier mit meiner Frau verbringt, in der vertrauten Umgebung."
"Dona Mercedes ist hier in unserer bescheidenen Behausung willkommen, solange wir hier sind. In den nächsten vie rzehn Tagen wird der Konvent geschlossen. Ich kann Ihnen nur alles Gute für Ihre Heimreise wünschen."
Mercedes erhob sich und versuchte, das Kind zu halten, das für sie zu schwer war.
"Lass sie mich in dein Zimmer tragen", bot er an und streckte die Arme nach dem kleinen Mädchen aus, das einem Mann seiner Größe so leicht wie eine Feder erschien. Rosario ließ sich ohne Widerspruch von ihm hochheben. Als das Kind die dünnen Arme um seinen Nacken schlang, kehrte das seltsame Gefühl in seiner Brust zurück, und Tränen brannten in seinen Augen. Er fühlte sich Rosario verwandt, wie er es seinem Vater und seinem Bruder gegenüber nie empfunden hätte.
Als die Abenddämmerung sich über die engen Straßen hinabsenkte, wurden die Geräusche, die aus der "Cactus"-
Cantina herausdrangen, immer wüster. Die Taverne war groß, mit einer hohen Decke und einer Galerie im zweiten Stock, die sich über drei Seiten erstreckte. Oben befanden sich die Zimmer der putas, die ihrem alten Gewerbe nachgingen, während von unten der Lärm an den Spieltischen und der Theke heraufdrang.
Fortune schob sich zwischen zwei betrunkenen Arbeitern der Silbermine außerhalb der Stadt hindurch und bedeutete dem Schankkellner, ihm von dem schäumenden Warmbier einzuschenken. Während er trank, sah er sich mit zusammengekniffenen Augen in dem verrauchten Raum um. Er bemerkte französische Soldaten in bunten Uniformen, die in kleinen Gruppen herumsaßen, mit den Frauen scherzten und Karten spielten. Erleichtert stellte er fest, dass er keinen von ihnen kannte.
Hilario saß in der äußersten Ecke an einem groben Tisch aus Kiefernholz. Er nickte dem Patron ernst zu.
Nicholas setzte sich neben ihn und trank das Bier mit einer Grimasse aus. Während seiner Dienstzeit in Sinaloa hatte er sich daran gewöhnt, es lieber kalt zu genießen, mit Eis aus den Höhlen von Mazatlan. "Glück gehabt?"
"Ja. Es gibt viele junge Männer aus armen Familien, die nicht Kanonenfutter des Kaisers werden und sich auch nicht Juarez anschließen wollen. Zumindest nicht, solange sie für ihre hungrigen Kinder oder alten Eltern sorgen müssen."
"Hat von den französischen Offizieren jemand bemerkt, dass du dich umgehört hast?"
"Ich war an Orten, die sie nicht kennen, Patron", sagte Hilario mit einem breiten Grinsen, das seine schwarzen Zähne sehen ließ. "Heute Abend, wenn der Mond aufgeht, werden uns etwa ein Dutzend Reiter treffen, und zwar vor den Minen von Santa Cruz. Ich denke, Ihr Angebot wird ihnen zusagen."
"Wenn du sie ausbildest, werden wir genügend Männer haben, um mit unserer Suche nach den verbliebenen Pferden und Rindern zu beginnen. Ich denke, wir könnten sie in jenen kleinen Schluchten überwintern lassen, die wir an der Quelle des Yaqui
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