Wildes Blut
hungrigen Bauern Fleisch, anstatt sie auspeitschen zu lassen. Er hat sogar Soldaten der Juaristas geholfen!"
"Pah! Das spielt keine Rolle", erklärte Sofia verächtlich.
"Vielleicht hat der Krieg ihn so sehr verändert. Einst war er ein Taugenichts. Jetzt weiß er, worauf es ankommt. Du sollst deine Pflicht gegenüber dem Hause Alvarado erfüllen. Nur dazu werden Frauen unseres Standes geboren."
"Ich bin für Lucero mehr als eine Zuchtstute", beharrte Mercedes. Es fiel ihr schwer, Ruhe zu bewahren.
"Wenn du die Patrona dieser Hazienda bleiben willst, solltest du dafür beten, dass du genau das bist. Vergiss diesen unbedeutenden Bastard." Damit war das Gespräch für sie beendet.
"Ich wäre stark in Versuchung, dich zu hassen - wenn ich dich nicht so sehr bemitleiden würde", sagte Mercedes, als die alte Frau den Kopf wegdrehte und die Augen schloß.
An diesem Nachmittag dachte Mercedes immer und immer wieder an diesen bitteren Wortwechsel mit ihrer Schwiegermutter, als sie ausritt, um nach dem bewässerten Mais zu sehen, der in der spätsommerlichen Hitze üppig gedieh.
Rosario hielt ihr Nachmittagsschläfchen, und Mercedes hatte Bufon mitgenommen. Sie fühlte das Bedürfnis nach stummer Gesellschaft während ihres einsamen Rittes.
Würde ihr Gemahl sie abschieben, um Gran Sangre einen legitimen Erben zu beschaffen? Der Mann, den sie geheiratet hatte, würde sich stets den Normen der Gesellschaft fügen -aber der Mann, der sie nun jede Nacht liebte, der sie noch im Schlaf eng an sich gepresst hielt, der ihr versprochen hatte, sie niemals fortzulassen - würde auch er das tun?
Mercedes rieb sich den schmerzenden Kopf und versuchte, die bedrohlichen Schatten zu vergessen, die sich nach ihrem Gespräch mit Sofia erhoben hatten. Die alte Frau hatte gesagt, der Krieg ha tte den Verschwender von einst zu dem Mann gemacht, der er jetzt war. Mercedes musste sich eingestehen, dass das stimmte. Aber vor allem war er jetzt ein Mann, vor dessen Berührung sie nicht mehr zurückschreckte, sondern der das Verlangen in ihr geweckt hatte, sich ihm hinzugeben - ein Verlangen, das sie sich noch nicht eingestehen wollte.
"Was, wenn ...?" Sie erstarrte, legte einen Finger auf ihre Lippen und schüttelte abwehrend den Kopf. Nein, das war absurd und lächerlich. Sie war aufgeregt durch die Gefühle, die Lucero in ihr geweckt hatte, sonst nichts. Sie ließ ihr Pferd in raschen Trab fallen.
Sie spürte das übermächtige Verlangen, allein zu sein. Es dauerte nicht lange, dann hatte sie das bebaute Land verlassen und ritt durch ein enges, ausgetrocknetes Flussbett.
Mesquitegras wuchs am Wegrand, grau vom Staub, während das Pferd seinen Weg suchte. Die tiefe Schlucht, von vielen Regenzeiten gegraben, wand sich in der Nähe des Herrenhauses entlang. Wenn sie wollte, konnte sie umkehren und, wenn sie die Abkürzung nahm, zum Abendessen zu Hause sein, aber Mercedes hatte jetzt keine Lust, Lucero gegenüberzutreten. Er würde etwa jetzt von Süden herkommend heimreiten, mit der Absicht, seinen müden, staubbedeckten Leib in einem heißen Badezuber zu reinigen. Noch immer erinnerte sie sich daran, wie sein muskulöser Körper ausgesehen hatte, glänzend vom Wasser an jenem schicksalhaften Tag, als sie ihn und Innocencia im Baderaum überrascht hatte. Innocencia. Noch eine beunruhigende Frage - warum interessierte Lucero sich nicht mehr für seine frühere Geliebte?
Plötzlich stieß Bufon ein lautes Warngebell aus. Er war weiter vorn hinter einer Wegbiegung verschwunden. Mercedes vergaß ihre Kümmernisse, trieb ihr Pferd an und rief den Hund.
Das Fauchen eines Pumas mischte sic h mit dem tiefen Knurren des Hundes. Das Pferd wieherte, erschreckt von der Raubkatze.
Sie bemühte sich, das Tier zu beruhigen, dann drängte sie es vorwärts, während sie nach dem Gewehr an ihrem Sattel griff.
Gerade als sie die Waffe gepackt hatte, scheute das Pferd und wich zurück, so dass sie das Gleichgewicht verlor. Sie stürzte zu Boden und rollte sich zur Seite. Die Waffe entglitt ihren Händen.
Benommen und mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete Mercedes sich auf die Knie. Dann erstarrte sie. Bufon stand zwischen ihr und dem großen Puma, der sich langsam näherte.
Ein Knurren entrang sich seiner Kehle, er war zum Angriff bereit. Hinter ihr lag der Eingang zu einer kleinen Höhle, dem Lager der Raubkatze. Der Hund war auf den Berglöwen gestoßen und hatte versucht, sie zu warnen. Wenn sie die Katze erschreckte, konnte sie in jede
Weitere Kostenlose Bücher