Wildes Blut
Gedanken, sich einem Mann hingegeben zu haben, der nicht ihr Mann war, sondern nur ein namenloser Bastard? Was, wenn sie ein Kind bekam? Vielleicht erwartete sie es bereits. Auch wenn es den Namen Alvarado trug, so war es doch genauso ein Bastard wie er selbst.
Und Mercedes hatte in den Augen der Kirche Inzest begangen, als sie bei dem Bruder ihres Gemahls lag. Nicholas war nicht im katholischen Glauben erzogen worden, aber während seiner Zeit in Italien und Mexico hatte er genug über das kanonische Recht gelernt, um das zu wissen. Lucero hatte es ihm sogar erklärt, als er seinem Bruder Anweisungen gab, wie er mit Pater Salvador umgehen sollte und mit den religiösen Feierlichkeiten, an denen teilzunehmen er vielleicht gezwungen sein würde.
Fortune hatte seine eigene Seele längst aufgegeben, aber er sorgte sich immer mehr um Mercedes. Sie war alles, was Sofia nicht war, nämlich eine Christin, die ihren Glauben hingebungsvoll ausübte. Verdammt! Es war alles so einfach erschienen, dieser Tausch, den zwei harte Männer besprochen hatten. Jetzt hatten sie Unschuldige in ihr Netz aus Lügen gezogen. Mercedes. Rosario. Vielleicht ein ungeborenes Kind.
Aber Nicholas würde sie nicht aufgeben. Gewiß wäre ihr Leben weit schlimmer verlaufen, wenn sein Bruder an seiner Stelle zurückgekommen wäre. Das hatte sogar diese verdrehte alte Frau zugegeben. Er war gefangen in dem Netz, das er selbst gewebt hatte. Es gab kein Entrinnen.
Mercedes lag allein in dem großen Bett. Es war spät, und noch immer war Lucero nicht nach oben in sein Schlafzimmer gekommen. Sie hatte es schon lange aufgegeben, in ihrem eigenen Zimmer darauf zu warten, dass er sie holte. Er hatte ihr unmissverständlich erklärt, dass er das jede Nacht tun würde. Es war weitaus peinlicher, wenn er durch ihre Tür kam und sie selbstherrlich aufforderte, ihm zu folgen.
Sie war sicher gewesen, dass er zumindest ihren Leib begehrte, wenn auch sonst nichts. Bis heute Abend. War er bei Innocencia oder bei einem der anderen Dienstmädchen? Sie hatte beobachtet, wie die Frauen ihn ansahen und seine dunkle, gefährliche Männlichkeit bewunderten, versuchten, ihn mit lockenden Blicken oder auf andere, weniger diskrete Weise zu verfuhren. Gütiger Himmel, das klang ja, als wäre sie eifersüchtig!
Ihre sorgenvollen Überlegungen wurden plötzlich unterbrochen, als sie Schritte in der Halle hörte. Luceros Schritte, doch sie klangen verändert - als wäre er ... betrunken!
Der Geruch von Brandy ging ihm voraus, als er die Tür öffnete und in das vom Mondlicht erhellte Zimmer trat. Er schwankte ein wenig, dann taumelte er gegen den schweren Eichenschrank.
Mit einem unterdrückten Fluch begann er, sich auszuziehen, warf seine Kleidungsstücke achtlos hierhin und dorthin, ganz anders als sonst, mehr in der Art, wie sie es von dem alten Lucero erwartet hätte.
Ihre Augen waren an das Zwielicht gewöhnt, so beobachtete sie das Spiel seiner Muskeln, als er Hemd und Hose abstreifte.
Er war wie ein herrliches Raubtier, dessen fester, kraftvoller Leib und sehnige Glieder durch die geheimnisvollen Narben nur noch männlicher und anziehender wirkten, denn sonst wäre seine Makellosigkeit unerträglich gewesen. Es war gefährlich, solche Gedanken zu hegen, aber es schien, als könnte sie den Blick nicht von ihm wenden, als er neben ihr ins Bett stieg.
Sie war voll gespannter Erwartung und fragte sich, ob er wohl die Hand nach ihr ausstrecken würde. Doch anstatt sie besitzergreifend an sich zu ziehen, lag er einfach mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Bett und schlief sofort ein.
Soweit sie wusste, war Lucero seit seiner Rückkehr niemals betrunken gewesen, obwohl er es kurz nach ihrer Heirat oft gewesen war. Irgendwie spürte sie, dass dies etwas anderes war.
Konnte es mit dem Besuch ihres Gemahls bei seiner Mutter am Morgen zusammenhängen, von dem Pater Salvador ihr erzählt hatte? Das Haus war voller Gäste, und während des langen, arbeitsreichen Tages hatte es keine Gelegenheit gegeben, unter vier Augen mit ihm zu sprechen.
Mercedes fürchtete, dass Lucero und seine Mutter niemals Frieden schließen würden. Sie selbst hatte eine liebevolle Beziehung zu beiden Elternteilen gehabt und ihren Verlust betrauert, und sie spürte, dass das Verhältnis zwischen Sofia und Lucero tragisch war. Es musste schon bego nnen haben, als er noch sehr jung war. Vielleicht schon im Augenblick der Empfängnis.
Sie stützte sich auf einen Ellenbogen und streckte den
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