Wildes Blut
machte ihm wirklich Angst. »Sollte – sollte er das?«
»Ja«, zischte Slade bedrohlich und kniff die Augen zusammen, »denn abgesehen davon, daß er einem der besten Schützen im Westen gehört, ist es auch der Name deines Schwagers, du dreckiger Bastard!« Er schüttelte Jonathan einmal brutal, so daß seine Füße in der Luft baumelten. »Du erinnerst dich nicht an mich, nicht wahr? Na ja, das ist ja auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß ich erst vierzehn war, als du und India geheiratet habt. Aber ich kann mich an dich sehr gut erinnern.« Slade hielt inne und musterte Beechams kauernde, aschfahle Gestalt verächtlich. Dann sagte er höhnisch: »Mein Gott, wie hat es bloß meine Schwester all die Jahre mit einem wie dir ausgehalten! Das werde ich nie begreifen!«
»Du – bist Indias Halbbruder?« würgte Jonathan mühsam heraus; jetzt bekam er richtig Angst.
»Ja, du Hundesohn! Und ich bin da, um dafür zu sorgen, daß du für alles büßt, was du ihr je angetan hast!« fauchte Slade, und Beecham lief eine Gänsehaut über den Rücken. Dann stieß Slade Maverick den anderen Mann fluchend von sich. »Zieh dich an!« befahl er. »Wir beide werden einen kleinen Ritt zu deinem Haus machen.«
»Jetzt? In diesem Sturm?« jammerte Jonathan und zeigte auf den Regen, der durch das klaffende Loch in der Wand prasselte; im stillen fragte er sich verzweifelt, wie er wohl Slade entrinnen und aus der Stadt fliehen konnte, ehe der Schwager erfuhr, daß India tot war.
»Genau«, erwiderte Slade grimmig. »Los, setz dich in Bewegung, oder willst du, daß ich dir Beine mache.« Er legte die Hände unmißverständlich auf seine Peacemaker.
»Ne-n-nein.« Jonathan schüttelte heftig den Kopf, dann packte er mit einem ängstlichen Blick auf die Revolver seine Hose.
Emmalou hatte gerade das Zimmer betreten und die letzten Bemerkungen gehört. Sie hatte einen Besen in der Hand und inspizierte mit angewiderter Miene das zerstörte Zimmer.
»Der wird nirgends hingehen«, verkündete sie mit giftiger Stimme und musterte Slade abschätzig, während sie sich ihren scharlachroten Mund leckte. »Er schuldet mir sieben Dollar und fünfzig Cents, und bevor er die nicht bezahlt hat, kommt er hier nicht weg!«
Slade musterte die vulgäre Schlampe verächtlich, das schminkeverklebte Gesicht, den fetten Körper, der in ein zu enges Korsett gequetscht war.
»Er mag es ja vielleicht nicht wissen«, sagte er mit einer Geste auf Jonathan, »aber ich schon – ich wette, du hast Glück, wenn du an guten Tagen drei Dollar kriegst. Nimm’s oder laß es«, sagte er knapp, zog ein paar Scheine aus dem Geldbündel in seiner Tasche und warf sie ihr zu.
Emmalou schmollte zwar ein bißchen über die arrogante Behandlung durch den Fremden und auch, weil er sichtlich keinerlei Interesse an ihr hatte, aber sie packte das Geld und stopfte es zwischen ihre wogenden Brüste.
»Lundy – der, dem dieser Misthaufen gehört – wird nicht so leicht abzuspeisen sein«, verkündete sie mit einem giftigen Blick auf Slade. »Er hat gesagt, entweder Beecham hier oder die hochnäsige Miss Wilder bezahlt den ganzen Schaden, oder es gibt Ärger. Er hat schon nach dem Marshal geschickt – und mit dem können Sie nicht so umspringen, Mister, der steckt Sie hinter Gitter. Und wissen Sie was? Wenn er’s macht, komm’ ich vorbei und werd’ mir auf eure Kosten einen ablachen!«
»Mach das nur«, sagte Slade nicht sonderlich beeindruckt. Er drehte sich wieder zu Beecham. »Ich nehme an, Miss Wilder ist dieser freche Teufelsbraten, der auf dich geschossen hat?«
»Ja«, erwiderte Jonathan mit grimmiger Miene. Da er seine Hosen wieder anhatte, fühlte er sich jetzt ein bißchen mutiger. »Dieses Miststück muß sich in alles einmischen! Der werd’ ich gehörig die Meinung sagen, wenn ich sie das nächste Mal seh’! Ich möchte bloß wissen, für wen, zum Teufel, die sich hält – einfach so auf mich zu schießen! Die hätte mich glatt umbringen können!«
»Ja, hätte sie«, bemerkte Slade, und sein Grinsen jagte Jonathan eine Gänsehaut über den Rücken. »Ich möchte auch gerne wissen, wer sie ist, Beecham – und warum sie glaubt, du solltest ihren Befehlen gehorchen.«
Jonathan leckte sich nervös den Mund, aber bevor er sich eine zufriedenstellend ausweichende Antwort einfallen lassen konnte, keifte Emmalou: »Das ist die hochnäsige Miss Prüde, die sich um seine Kinder kümmert, seit seine Frau gestorben ist, das ist sie! Aber das gibt ihr
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