Wildes Blut
ich ein Mann, der sein Wort hält. Nimm sie, tu, was du willst damit. Wirf sie weg, verbrenn sie oder nimm sie für die Latrine. Offen gesagt, es ist mir ziemlich egal.« Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
»Beantworte mir noch eine Frage, bevor du gehst, Maverick.« Jonathans Stimme klang dumpf und resigniert. »Ich muß es wissen. Hast du nun eine Derringer in deinem Stiefel oder nicht?«
Slade paffte an seiner Zigarre und blies langsam eine Rauchwolke in die Luft. Dann schüttelte er grinsend den Kopf.
»Aber nein, Beecham, da steck’ ich nur meinen Fuß rein.«
»Du mieser Schuft!« fauchte Jonathan.
»Das ist komisch, Beecham. Das ist wirklich komisch. Weißt du auch, warum?« Das Lächeln verblaßte auf Slades Gesicht, und seine mitternachtsblauen Augen wurden eisig. »Weil ich wetten möchte, daß India das von dir gedacht hat, kurz bevor sie starb.«
Dann schritt der Revolvermann mit klirrenden Sporen aus dem Summer Garden hinaus in die Dunkelheit, und die Saloontüren schwangen hinter ihm zu und dämpften den Lärm, der durch die Straße hallte. Slade merkte, daß er tatsächlich vor Wut zitterte, also blieb er stehen und atmete die kühle Nachtluft ein, bis er sich ein wenig beruhigt hatte.
Schließlich waren es mehrere Schüsse, die ihn wieder in Bewegung brachten. Einen nervenzerreißenden Augenblick lang dachte Slade, Jonathan hätte in seinem Rausch irgendwie eine Waffe in die Finger gekriegt und sei hinter ihm her. Slade preßte sich blitzschnell mit dem Rücken gegen die Wand des Saloons und griff gleichzeitig nach seinen Peacemakern, mußte aber leider feststellen, daß sein Revolvergurt nicht da war. Er fluchte kurz, weil er sich nackt und schutzlos fühlte, mußte aber schon bald darauf über sich selbst lachen, als er merkte, daß die Schüsse von einem Muli kamen, das an einem nahen Pfosten angebunden war.
Neugierig schritt Slade zu dem Muli. Im gleichen Augenblick traf auch der örtliche Gesetzeshüter ein. Soweit Slade begriff, hatte einer der zahlreichen Texaner in der Stadt seinen Revolvergurt, den er nicht gegen eine Metallmarke hatte eintauschen wollen, um das Sattelhorn seines Maulesels gehängt und jedesmal, wenn das nervöse Tier zuckte oder aufstampfte, löste sich ein Schuß. Nach einer heißen, aber für Slade höchst amüsanten Debatte zwischen dem Hilfssheriff und dem sehr beredten Eigentümer des Mulis, gab schließlich der Hilfssheriff nach, nachdem er widerwillig dem Texaner recht geben mußte, der erklärte, in Wichita gäbe es kein Gesetz, das einem Muli verbot, in der Stadtgrenze zu schießen.
Grinsend und froh darüber, daß sein brennender Wunsch, Indias Tod zu rächen, jetzt erfüllt war, holte Slade sein Pferd und galoppierte aus der Stadt. Auf ihrer Farm wartete Rachel auf ihn.
18. KAPITEL
Der Märzwind war sanfter geworden, und Slade hatte endlich die Arbeit am neuen Blockhaus der Beechams vollendet und war mit den Kindern dort eingezogen. Obwohl die Kinder nicht mehr ständig im Haus waren, war Rachel nicht ganz so niedergeschlagen, wie sie befürchtet hatte, denn jeden Morgen, wenn Slade die fünf ältesten Beechams in die Schule nach Wichita brachte, lieferte er Andrew, Naomi und Tobias für den Tag bei ihr auf der Farm ab. Am Abend, wenn er zurückkam, um die drei jüngsten Beechams abzuholen, aßen die beiden Familien zusammen Abendbrot.
Zu den Mahlzeiten, die Rachel mit Eves und Susannahs Hilfe vorbereitete, steuerte Slade seinerseits Wild bei – Büffel, Rotwild, Antilopen, Hasen, wilde Truthähne, Präriehühner, Wachteln und ähnliches – sowie auch Fisch aus dem großen und dem kleinen Fluß, meist Waller oder Barsch. Seit sie die Beecham-Kinder aufgenommen hatte, war Rachel kaum noch zum Jagen oder Fischen gekommen. Die Folge davon war, daß ihre Vorräte und auch das wenige Bargeld, das sie hatte, zur Neige gingen, denn vorher hatte sie das Fleisch und den Fisch, den sie nicht brauchten, in Wichita an William »Buffalo Bill« Mathewson auf der Douglas Avenue verkauft, der außer mit Viehfutter auch mit Wildbret handelte.
Trotzdem opferte Rachel ihre Zeit und das kleine Nebeneinkommen gern den Beecham-Kindern, und es war einfacher, wenn beide Familien zusammen Abendbrot aßen. Außerdem brauchten dadurch Eve und Susannah, die jetzt beide in die Schule gingen, nicht allein das Abendessen zu kochen, und Essen gab es genug für alle.
Oft blieben Slade und die Kinder bis lange nach Sonnenuntergang. Im weichen Schein der Öllampen machten
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