Wildes Herz
einen Mann neben sich im Bett liegen haben, an dem sie sich Eisfüße holt“, scherzte er makaber.
„Das ist hässlich! Richtig hässlich. Was genau bist du? Was ist anders an dir, außer dem auf den ersten Blick Ersichtlichen?“, fragte ich ohne Umschweife, wollte ich wissen, wo ich bei ihm dran war. Angst hatte ich keine mehr vor ihm. Aaron war eine ehrliche Haut, ganz anders als Seth. Man bemerkte sofort, wenn er die Unwahrheit sprach, flatterten dann seine Nasenflügel wie Segel im Wind. So wie vorhin, als er beteuert hatte, dass ihm die Anfeindungen von Seth egal seien.
„Hmmh.“ Aaron kratzte sich grüblerisch am Kinn. „Was ich bin? In erster Linie war ich mal ein ganz normaler Gestaltwandler. Cynthia wollte wohl so etwas wie ihren persönlichen Ghul aus mir machen. Sie wollte, dass ich ihr bedingungslos gehorche. Was bei Menschen wohl ganz gut klappt, schlug bei mir zumindest im Punkt der Gehorsamkeit fehl. Dennoch verlor ich mein Wolfsein. Ich kann mich nicht mehr wandeln und habe meine verbesserten Sinne verloren. Das Offensichtliche …“ Er zeigte auf sich und drehte sich einmal um seine eigene Achse. „Meine Körpertemperatur ist niedriger. Ich muss kaum noch atmen und meine Herzfrequenz ist vermindert. Doch ich bin nicht tot, wie einige böse Zungen behaupten. Meine Zellen sind lebendig, wie Prajit im Labor nachgewiesen hat.“
„Nachweisen musste!“, mischte sich der Inder kopfschüttelnd ein. „Es war nicht mehr feierlich mit ihm. Aaron hatte im Kühlhaus sein Lager aufgeschlagen, weil er dachte, er würde vergammeln! Nicht zu vergessen, dass er nicht mehr essen kann und es auch nicht mehr muss. Das ist wohl den meisten Wölfen suspekt. Er ist wie gehabt langlebig. Seine Körpervorgänge sind allerdings stark verlangsamt und damit auch die Wundheilung. Wenn er sich mit einem Buttermesser piekt, braucht es ewig zum Verheilen. Und zum Thema schlechtere Sinne … leg die Karten offen auf den Tisch, Aaron.“
„Als ob das interessiert, Prajit!“, knurrte Aaron wölfisch.
„Oh doch!“, echauffierte sich der Inder. „Sie sind nicht deine Feinde. Keiner von ihnen fordert dich heraus. Seth hingegen … wenn er es wüsste …“ Prajit wand sich direkt an mich. „Aaron ist nahezu blind. Kannst du ihn schützen?“
Ich? Ihn schützen? Ich war nicht dominant! Wie sollte ich Aaron schützen? Ungläubig sah ich zu Prajit und zog die Schultern hoch. „Ich verstehe nicht. Wie …“
„Das ist doch jetzt ein schlechter Scherz, oder? Du weißt nicht …“ Prajit lachte laut auf. „Sicher, Christian ist jung. Er hat sicher etwas geahnt, aber nicht genau gewusst, was es ist. Schätzchen …“ Der Inder platzierte mich auf den Sessel und ging dann vor mir auf die Knie. Da er dominant war, duckte ich mich und versuchte meinen Kopf unter seinen zu bringen.
„Hör bitte damit auf! Du musst dich niemanden unterwerfen, Megan. Wölfe wie du sind selten. Du bist nicht dominant, aber auch nicht unterwürfig. Dein Vater war ein Indianer, nicht?“
„Sein Vater, Apache“, antwortete ich verunsichert.
„Du besitzt wildes Blut, so nannten die Alten es. Blut, dass nicht gezähmt werden kann. Das wilde Blut deines indianischen Erbes. Du fällst aus jedem Rudel raus. Wesen mit deiner Herkunft, sind die geborenen Führer. Sie sind frei von jeglichen Dominanzansprüchen und Rudelgebaren. Nur Idioten würden dich als unterwürfig ansehen. Du bist ein Juwel, das jedes Rudel braucht. Doch leider seid ihr viel zu selten geworden. Ich hatte die Ehre drei vor dir kennenzulernen. Zwei davon sind leider schon verstorben, aber die Dritte, Black Feather, ist noch wohlauf. Sie ist die Führerin eines Rudels in Arizona. Keine Alpha! Es gibt keine solch festgefahrenen Regeln in Black Feathers Rudel. Keine Dominanten und keine Unterwürfigen. Ihr Stil das Rudel zu führen, ist so einigen Alphas ein Dorn im Auge. Das hat den anderen zwei mit wildem Blut, den Kopf gekostet. Sie wurden von anderen Alphas getötet.“ Prajit legte seinen Kopf an mein Knie, etwas was rangniedere Wölfe, oft bei Dominanten taten. Ich wusste, was er erwartete. Wäre er ein Wolf gewesen, dann wäre es mir leichter gefallen, doch einem Menschen den Kopf zu tätscheln … bei einem Kind, sicherlich! Aber nicht bei einem erwachsenen Mann!
„Es überfordert sie.“ Was war ich dankbar für Leons Intervention, der sich schwach zu Wort meldete. „Einem missachteten und geprügelten Wesen zu sagen, dass sie die Krönung der Schöpfung sei, mag
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