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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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für England zu einer Bedrohung werden konnten. Die Gesetze verboten es allen katholischen Iren – und damit dem Großteil der Bevölkerung –, an Wahlen teilzunehmen, ein öffentliches Amt zu bekleiden, Feuerwaffen zu besitzen und bestimmte Berufe auszuüben. Wer sein Land nicht verlieren und den vielen anderen Beschränkungen dieser Gesetze entgehen wollte, war gezwungen, seinem Glauben und seiner Treue zum Papst in Rom abzuschwören und Protestant zu werden.
    Inzwischen waren einige dieser Penal Laws gelockert worden. Aber an der Tatsache, dass die Engländer als herrschende Klasse Irland ausbeuten konnten, hatte sich nichts geändert.
    »Komm weiter, Éanna«, sagte ihre Mutter plötzlich und zog sie am Arm.
    Éanna schreckte auf. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sie stehen geblieben war und auf eines der schwer bewachten Herrenhäuser starrte, das entlang der Straße stand. Diese trutzigen, festungsähnlichen Schlösser befanden sich ausnahmslos im Besitz adliger Engländer oder irisch-englischer Protestanten. Viele von ihnen kamen nur gelegentlich einmal aus England, um ihren Besitzungen einen kurzem Besuch abzustatten, etwa zur Jagdsaison.
    Nur widerwillig setzte Éanna sich in Bewegung. Der Unterschied zur Straße der Sterne könnte nicht größer sein, dachte sie bitter bei sich.
    Die Sonne hatten sich auf ihrer Bahn schon tief nach Westen über die Küste von Galway geneigt, als sie endlich den Bauplatz am Kloster erreichten. Doch das Bild, das sich ihnen hinter der Biegung der Landstraße bot, ließ ihnen das Herz sinken.

Drittes Kapitel
    Es war ein gewaltiger Steinbruch, in dem mehr als hundert Männer mit primitivstem Werkzeug Felsbrocken aus der Wand brachen oder sie mit Vorschlaghämmern in kleine Stücke zertrümmerten. Frauen und Kinder, viele von ihnen barfuß, karrten das Gestein in Schubkarren davon oder schleppten es in schweren Körben aus dem Steinbruch die steile Böschung hinauf und von dort zu jener Stelle, wo der Schotter für den Bau der neuen Straße gebraucht wurde. Jeder von ihnen bot ein Anblick des Elends. Die Kleider schlotterten in den längst viel zu weit gewordenen Kleidern. Die Gesichter grau, verdreckt und verzerrt von verzweifelter Anstrengung und der kaum zu bewältigender Last. Und in den tief liegenden Augen saß bei jedem die Angst, die Kraft nicht mehr lange aufzubringen und von einem anderen Hungerleider ersetzt zu werden.
    Zwischen den Arbeitern gingen Aufseher unablässig auf und ab. Sie wurden Whip-up genannt, Einpeitscher. Ein sehr zutreffender Name. Denn unerbittlich trieben sie Männer, Frauen und Halbwüchsige an, nur ja nicht langsamer zu werden. Immer wieder ließen sie ihre Peitschen knallen. Manche machten sich dabei einen Spaß daraus, die Lederschnur ihrer Peitsche möglichst nahe am Körper eines Tagelöhners durch die Luft zucken zu lassen.
    Wer das vorgegebene Tempo nicht mehr mithalten konnte, wurde aus der Kolonne gezerrt und zum Oberaufseher geführt, der seinen Namen aus seinem Lohnbuch strich. Was nicht selten einem Todesurteil für ihn und diejenigen gleichkam, die sein schäbiger Tageslohn von zehn, elf Pence bislang vor dem Verhungern bewahrt hatte.
    »Es sieht nicht schlecht für uns aus«, raunte Catherine. »Sieh nur, es ist kaum noch jemand da, der uns morgen einen Platz streitig machen könnte!«
    »Keiner ist vielleicht etwas übertrieben«, gab Éanna leise zurück. Rund um den Steinbruch und den Bauplatz kauerten sogar zu dieser Abendstunde noch arbeitslose Männer, Frauen und Kinder im Gras. Aber es waren wirklich erstaunlich wenige, wie auch sie feststellte, höchstens zwei Dutzend. Jeder von ihnen hoffte darauf, einen jener ersetzen zu können, die bei der Arbeit zusammenbrachen. Die meisten von ihnen sahen jedoch so aus, als hätten sie selbst kaum noch Kraft, um sich vom Boden zu erheben, geschweige denn Steine zu zertrümmern und schwere Körbe zu tragen.
    Éanna erinnerte sich daran, was ihr Vater ihnen von den Vorkommnissen in jenem Steinbruch erzählt hatte, in dem er für einige Zeit Arbeit gefunden hatte. In den frühen Morgenstunden hatten sich dort stets mehr als hundert Tagelöhner versammelt. Sie warteten darauf, dass wieder einer der Unglücklichen aus der Arbeitskolonne herausgetrieben wurde. Nicht selten hatten sie sich dann auf dem Weg zu dem Oberaufseher, der das Lohnbuch führte, gegenseitig umgestoßen.
    Éanna nahm an, dass diejenigen, die noch besser bei Kräften waren und lange Morgenstunden vergeblich auf einen

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