Wildes Herz
Éanna wissen, nur unwesentlich beruhigt. Denn dass die Nachricht nicht gut war, lag ja auf der Hand.
»Erinnerst du dich noch an den Abend, als ich oben in der Fieberstation an deinem Bett den Wortwechsel mit Dermod gehabt habe?«, fragte Emily.
»Natürlich.«
»Nun, an dem Abend hat es unten in der Halle kurz vor dem Essen einen bösen Aufruhr gegeben, den Brendan verursacht hat«, berichtete Emily. »Denn da stand der Name Éanna Sullivan auf der Tafel der Toten.«
»Oh mein Gott!« Éanna presste sich die Hand vor die Lippen. Brendan musste sie für tot halten!
»Das war natürlich ein peinlicher Fehler«, fuhr Emily leise fort. »Die wahre Tote hieß Magdalena Sullivan. Aber diese Verwechslung ist erst später auf der Tafel korrigiert worden, und da war das Unglück schon passiert.«
In Éanna krampfte sich alles zusammen. »Was … was für ein Unglück?«
Emily zögerte kurz. »Na ja, deinem Brendan scheint wirklich viel an dir zu liegen. Denn sonst wäre es ihm wohl nicht so unter die Haut gegangen, dass er deinen Namen da auf der Tafel gelesen hat. Er hat jedenfalls sofort verlangt, dass man ihn zu dir bringt, damit er dich ein letztes Mal sehen und Abschied von dir nehmen kann.«
Caitlin schnaubte abfällig und schüttelte den Kopf, doch Emily brachte sie mit einem scharfen Blick dazu, ihren Mund zu halten.
»Du kannst dir ja denken, wie die Aufseher darauf reagiert haben«, sagte sie zu Éanna. »Aber dein Brendan hat auf seiner Forderung bestanden. Als daraufhin einer der Männer zu seinem Stock gegriffen und ihm einen Hieb versetzt hat, ist Brendan handgreiflich geworden. Daraus ist im Nu ein wüstes Handgemenge geworden. Es hat eine richtige Prügelei in der Halle gegeben, bei der Brendan einem der Männer die Nase mit einem Faustschlag eingeschlagen und einem anderen den rechten Arm gebrochen hat. Er war erst zu bändigen, als Dudley Boyle aufgetaucht ist und ihm eins mit seinem Prügel über den Kopf gezogen hat.«
Caitlin warf Éanna einen spöttischen Blick zu. »Du musst dir ja einen ganz schönen Hitzkopf angelacht haben!«
Éanna hörte gar nicht hin. »Was ist mit Brendan passiert, Emily?«, fragte sie atemlos.
»Eine eingeschlagene Nase und ein gebrochener Arm. Das hätte bitter für ihn ausgehen und ihn geradewegs für ein paar Jahre ins nächste Gefängnis bringen können. Aber dein Brendan hat eine Menge Glück im Unglück gehabt«, berichtete Emily. »Da es schon Abend war, hat man ihn erst einmal für die Nacht vorn im Anbau des Pfortenhauses in eine Kammer gesperrt. Am nächsten Morgen wollte Dudley Boyle ihn der Polizei übergeben. Aber irgendwie hat dein cleverer Freund es in der Nacht geschafft, aus der Kammer auszubrechen und über das niedrige Dach zu flüchten. Wie ihm das genau gelungen ist, hat Dermod nicht in Erfahrung bringen können. Boyle hat sich darüber ausgeschwiegen. Wohl um sich nicht noch mehr zu blamieren. Jedenfalls ist dein Brendan nicht mehr hier.«
»Und inzwischen Gott weiß wie weit weg von hier!«, fügte Caitlin hinzu.
»Diese dumme Bemerkung hättest du dir wirklich sparen können.« Emily griff nach Éannas Hand und sagte tröstend: »Ich weiß, wie schwer dich das trifft. Aber wenigstens ist Brendan in Freiheit und sitzt nicht in einer Zelle. Dafür muss man nach allem, was da vorgefallen ist, doch dankbar sein.«
Erschüttert starrte Éanna ihre Freundin an. »Ich muss hier raus!«, stieß sie schließlich hervor. »Ich muss hier raus und nach Brendan suchen.«
Caitlin lachte mit grimmigem Spott auf. »Eine prächtige Idee, Éanna! Wirklich! Warum bin ich bloß noch nicht selbst darauf gekommen? Aber dein Vorschlag gefällt mir ausnehmend gut! Also dann, nichts wie auf! Worauf warten wir noch? Lassen wir diesen verfluchten Ort hinter uns und spazieren wir hinaus ins Freie«, höhnte sie. »Aber halt mal! Hast du da nicht etwas vergessen, Éanna? Mir war jedenfalls so, als säßen wir gut verschlossen hinter hohen Mauern, und der Einzige, der uns in die goldene Freiheit entlassen kann, ist unser Kerkermeister Dudley Boyle! Und der wird den Teufel tun, uns schon nach so kurzer Zeit wieder laufen zu lassen!«
Erbost funkelte Emily sie an. »Manchmal bist wirklich ein richtiges Ekel und ein noch unerträglicheres Schandmaul als Dermod Wickham, und das will etwas heißen, Caitlin!«, zischte sie aufgebracht und ballte die Fäuste. »Ab und zu müsste man dir wirklich eins aufs Maul geben, weißt du das?«
Éanna schüttelte nur wortlos den
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