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Wildes Herz

Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Britt Harper
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sondern weil sie selbst plötzlich ernüchtert war. Wie ein Kartenhaus stürzte ihre Zuversicht, dass Patrick O’Brien aus Dublin kommen und sie retten würde, in sich zusammen. Was hatte sie bloß im Verhörraum geritten? Sie wusste ja noch nicht einmal, ob Mr O’Brien sich überhaupt in Dublin aufhielt. Vielleicht hatte sein Onkel ihn wieder auf eine dieser Werbereisen übers Land geschickt. Sogar wenn er ihr hätte helfen wollen, was ihr selbst mit jedem Moment immer unwahrscheinlicher erschien, würde ihn ihre Nachricht in diesem Fall viel zu spät erreichen, um sie vor Gefängnis und Verbannung retten zu können.
    »Und ob das für sie ein böses Ende nimmt, Emily! Éanna kann noch froh sein, wenn sie sich mit dieser idiotischen Idee nicht selbst den Strick gedreht hat.« Caitlins Blicke sprühten vor Zorn. Offenbar fühlte sie sich von Éanna betrogen. »Ein Gentleman von Stand aus Dublin, der die Brauerei seines Onkels erbt, soll an ihrem Schicksal interessiert sein?« Verächtlich lachte sie auf. »Hast du denn völlig vergessen, wer und was du bist? Schau dich doch mal an, Éanna Sullivan! Du bist ein Nichts und Niemand! Ein ausgehungertes, dreckiges und mittelloses Straßenmädchen, von denen es überall in Irland nur so wimmelt. Na, ich wünsche dir viel Vergnügen in Australien.«
    »Jetzt reicht es aber!«, rief Emily nun erbost. »Nimm bloß nicht den Mund so voll, Caitlin. Vielleicht war es leichtsinnig, was sie getan hat. Aber sie hat es wenigstens versucht. Außerdem hast du wohl vergessen, dass du noch immer im Clifton Workhouse sitzen würdest, wenn Éanna uns nicht zur Freiheit verholfen hätte!«
    »Von wegen Freiheit!« Caitlin spuckte auf den Zellenboden. »Die dumme Kuh bringt uns geradewegs ins Gefängnis.«
    Emily hob drohend die geballten Fäuste. »Noch ein Wort, und ich zeige dir, was ich von dir halte – du gehässiges, undankbares Biest«, zischte sie.
    »Pah!«, stieß Caitlin abschätzig hervor und verzog sich in die hinterste Ecke, wo sie sich auf den Boden hockte und mit finsterer Miene auf das Zellengitter starrte.
    Emily legte Éanna ihren Arm um die Schulter. »Nimm es nicht so schwer. Vergiss ihr böses Geschwätz. Ich weiß, du hast es nur gut gemeint. Bestimmt wird es nicht so bitter kommen, wie Caitlin es an die Wand gemalt hat«, sagte sie. »Konstabler Doherty ist ein anständiger Mann. Der hätte uns vorhin bestimmt laufen gelassen, wenn dieser Sturkopf William nicht bei ihm gewesen wäre. Und wenn er auch das Geld fürs Telegramm verliert, so glaube ich einfach nicht daran, dass er das an die große Glocke hängt und dich dafür büßen lässt.«
    Zweifelnd sah Éanna ihre Freundin an. »Ich wünschte, ich könnte so sicher sein wie du«, murmelte sie niedergeschlagen und kämpfte mit den Tränen. »Wenn ich doch nur nicht über meinen eigenen Umhang gestolpert wäre!«
    »Das hätte jedem von uns passieren können.«
    »Aber es ist nun mal mir passiert.« Jetzt weinte Éanna wirklich. »Und damit habe ich euch alle mit reingerissen. Auch wenn ich um die Verbannung herumkomme, werde ich Brendan niemals wiederfinden.«
    Emily seufzte. »Warte doch erst einmal ab, was wird. Noch ist nicht aller Tage Abend«, erwiderte sie und wusste selbst, wie schwach dieser Trost in den Ohren ihrer Freundin klingen musste.
    Stunde um Stunde verstrich, ohne dass Konstabler Doherty sich bei ihnen blicken ließ. Und das war ein schlechtes Zeichen. Wenn Patrick O’Brien das Telegramm erhalten und sein Kommen umgehend zurückgekabelt hätte, hätten sie davon inzwischen längst erfahren.
    Als sich die abendliche Dunkelheit über das Städtchen senkte, öffnete sich die Tür zu ihrem Zellentrakt. Konstabler Tommy erschien. Doch er brachte ihnen keine Nachricht, sondern eine Kanne mit heißem Tee, drei Blechbecher sowie reichlich frisches Brot und einige Scheiben Käse.
    »Mehr ist für Inhaftierte nicht vorgesehen«, teilte er ihnen mit einem bedauernden Achselzucken mit.
    Weder Éanna noch Emily wagten, ihn nach Konstabler Doherty zu fragen. Und auch Caitlin hielt den Mund. Sie fürchteten, Éanna mit ihren Fragen noch tiefer in die Bredouille zu bringen. Vielleicht hatte Arthur Doherty vorgezogen, die Sache mit dem Telegramm für sich zu behalten?
    »Nun iss schon was, Éanna!«, forderte Emily sie auf, als der Polizist sich wieder entfernt und sie Brot und Käse gerecht in drei Portionen aufgeteilt hatte. »Es bringt doch nichts, den Kopf hängen zu lassen. Und an ein solches Festmahl

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