Wildes Herz
Stille. Konzentriert füllte Ty einige Patronen in das Magazin, um die entstandenen Lücken zu füllen.
Es kamen keine weiteren Schüsse.
„Janna?“
„Ich bin hier hinten“, antwortete sie.
Die Akustik in der engen Schlucht ließ ihre Stimme nah klingen, dabei war Janna fast hundert Meter von ihm entfernt.
„Wir verlassen das Tal zu Fuß. Dann versuchen wir, uns Pferde von den Indianern zu stehlen“, sagte Ty.
Sie war zum gleichen Ergebnis gekommen. Lucifer und Zebra durch den Felsengang in die Ebene zu bringen, ohne von den Indianern entdeckt zu werden, war unmöglich.
„Heute Nacht scheint kein Mond“, fuhr er fort. Dabei hielt er den Blick auf das Gebüsch gerichtet, hinter dem sich der Indianer versteckt hatte. „Wir gehen eine Stunde nach Anbruch völliger Dunkelheit hinaus. Bis dahin versuche, etwas zu schlafen.“
„Was ist mit dir?“
„Ich bewache den Eingang. “
„Aber die Querschläger...“
„Wenn ich mich außerhalb ihrer Reichweite halte“, unterbrach Ty ungeduldig, „kann ich den Bereich vor dem Eingang nicht überblicken.“ Er sah Janna an. Sein Gesichtsausdruck wurde für einen Moment weich. „Mach nicht so ein besorgtes Gesicht, meine Süße. Der Indianer hat von seinem Versteck aus einen ziemlich ungünstigen Schusswinkel. Mir geschieht nichts.“
Ty wandte sich wieder zur Felsenöffnung und feuerte sechs Mal in rascher Folge nach draußen. Der Kugelregen traf das Gebüsch, in dem der Abtrünnige Schutz gesucht hatte, von allen Seiten. Wer sich hier noch aufhalten mochte, war gezwungen, in Deckung zu gehen und sich nicht von der Stelle zu rühren. Janna zögerte. Dann eilte sie zu Ty, schlang die Arme um ihn und presste ihn leidenschaftlich an sich. Er erwiderte die Umarmung mit der gleichen Heftigkeit und mit sehnsuchtsvollem Verlangen. Janna brannten die Tränen in den Augen. Sie schmiegte den Kopf an seinen Hals. Mit leiser Stimme, für ihn unhörbar, sagte sie, wie sehr sie ihn liebte, wandte sich um und schlug den Rückweg zur Wiese ein.
Ty hatte Jannas Worte gehört. Für einen Moment schloss er die Augen und spürte den köstlichen Schmerz, ein Geschenk erhalten zu haben, das er nicht verdiente.
Er stellte den Rucksack gegen einen Felsen, ging in die Hocke und lud seinen Karabiner vollständig nach. Die kurzen Schatten an den Schluchtwänden zeigten ihm, dass er noch viele Stunden bis zum Sonnenuntergang warten musste und noch viel länger, bis es vollständig dunkel war.
An die Felswand gelehnt, den Karabiner schussbereit, versuchte Ty daran zu glauben, dass er und Janna bei Anbruch der Dunkelheit noch am Leben sein würden.
40. Kapitel
Der Sonnenschein auf der Wiese blendete Janna, als sie aus dem kühlen, dunklen Gang trat, der in ihr geheimes Tal führte. Sie blieb in der Felsenöffnung stehen und schickte einen Habichtschrei in den stillen Himmel, dann einen zweiten. Zebra kam angetrabt, mit hoch erhobenem Kopf und die Ohren aufgestellt. Lucifer folgte der Stute.
' Während der Wochen, in denen die Wunden des Hengstes verheilten, waren die beiden Pferde unzertrennlich geworden.
Janna schwang sich auf Zebra und wandte das Pferd zu den Ruinen der alten indianischen Siedlung, in denen Mad Jack sein Gold versteckt hatte. Bisher hatte sie ihre Nase nie in die Geheimnisse des alten Goldgräbers gesteckt. Jetzt war das Tal mit seinem einzigen Zugang für sie zu einer Falle geworden - wie der Bauch einer Flasche, in den nur ein enger Hals führte.
„Jack muss einen anderen Weg gekannt haben, um in das Tal hinein- und wieder hinauszugelangen“, sagte sie laut zu Zebra. „Ich habe im Bachbett nie Spuren von ihm gefunden. Wäre er durch den Felsengang gekommen, hätte ich ihn gehört, oder du und Lucifer hätten etwas bemerkt.“
Zebra drehte die Ohren nach vom und wieder zurück. Die Stute genoss sichtlich den Klang von Jannas Stimme.
„Aber du hast Jack nicht gehört. Der alte Goldgräber war viel zu schwach. Er konnte immer nur ein paar Pfund von seiner Ausbeute tragen. Das bedeutet, er hat den Weg viele Male gemacht, bis die Satteltaschen voll waren. Dabei muss er Spuren hinterlassen haben. Etwas anderes ist überhaupt nicht möglich.“
Diese Spuren musste Janna bis zum Dunkelwerden gefunden haben.
Sie presste die Fersen in Zebras Flanken und ließ die Stute lostraben. Ihr Blick glitt über Felswände und erstarrte Lavamassen, in schattige Nischen und über freie, sonnenbeschienene Flächen, immer
auf der Suche nach den geringsten Anzeichen für
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