Wildes Herz
würde.“
Er konnte nicht mehr antworten. Zebra wieherte warnend. Ty drehte den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam, riss Janna zu Boden und zog ein Jagdmesser aus seinem Lendenschurz. Im nächsten Moment lag er halb über ihr und hielt sie mit seinem Gewicht unten.
„Nicht bewegen“, flüsterte er ihr kaum hörbar ins Ohr.
Sie nickte schwach. Sie spürte, wie er sein Gewicht verlagerte und zur Seite rollte. Im hohen Gras schimmerte ein Stück sonnengebräunter Haut, und durch die Weiden am Wasser huschte ein Schatten, dann rührte sich nichts mehr. Ty war verschwunden. Janna überlief ein Schauer, als ihr bewusst wurde, wie flink und kraftvoll er sich bewegte, seit er wieder gesund war. Sie überlegte, ob sie weiter nach hinten kriechen sollte, wo die Deckung besser war, und entschied sich anders. Er erwartete, sie an dem Ort wieder zu finden, wo er sie verlassen hatte, und er würde alles angreifen, das sich jenseits dieser Stelle bewegte.
Auf dem Weg durch das Dickicht zum Ufer strichen Weidenzweige geräuschlos über Tys nackten Körper. Der Bach war kaum einen Meter breit und noch warm von den heißen Quellen weiter oben an seinem Ursprung, wo das Tal sich zu einem von Nebel verhüllten Paradies aus Lava, roten Felsen, üppigem Grün und Wasser verengte, dem ein leichter Schwefelhauch der Hölle entstieg.
In den Weiden, die Ty umgaben, rührte sich nichts. Kein Ton war zu hören. Sonst hüpften überall im Tal kleine Vögel umher, zwitscherten und genossen das kostbare Wasser. Stille in der Wildnis bedeutete Gefahr. Ein Eindringling befand sich in der Nähe.
Einhundertundfünfzig Meter entfernt stand Zebra schnaubend im hohen Gras. Dann rannte die Stute mit donnerndem Hufschlag davon. Die Flucht des Wildpferds zeigte Ty, dass entweder ein Puma oder ein Mensch den Frieden gestört haben musste. Vor keinem anderen Lebewesen wäre das Pferd davongestoben. Ohne den Schutzschirm der Weidenzweige zu durchbrechen, betrachtete er das Tal. Zebra stand zweihundertfünfzig Meter von ihm weg, zitternd vor Anspannung und fluchtbereit, mit hoch erhobenem Kopf und die schwarzen Ohren nach vom gespitzt. Sie sah auf einen Punkt, der sich ein ganzes Stück bachabwärts von Ty befand.
Etwas musste aus dem schmalen Felsentor gekommen sein, ln welche Richtung bewegte sich der Eindringling? Ging er zu den heißen Quellen am nördlichen Ende oder zu den indianischen Ruinen im Süden?
Reglos beobachtete Ty, wie die Stute sich verhielt. Er vertraute darauf, dass sie den Störenfried besser orten konnte als ein Mensch. Hals und Ohren gereckt, verfolgte Zebra etwas, das er nicht sehen konnte. Langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung.
Alles klar. Der Eindringling bewegt sich auf mich zu.
Ty ließ das kleine, abwechslungsreiche Tal vor seinem inneren Auge auferstehen. Kaum zwei Kilometer lang und an keiner Stelle breiter als fünfzig Meter, wurde es an einer Seite von rotem Sandstein, an der anderen von schwarzen Lavafelsen begrenzt. Die heißen Quellen im Norden speisten einen Bach. Andere, kleinere Bachläufe mündeten an verschiedenen Stellen in den Hauptabfluss, aber nur nach schweren Regenfällen, wenn sich für kurze Zeit von den Felsen funkelnde Wasservorhänge stürzten.
Ty entschied, dass der beste Platz für einen Hinterhalt die Stelle war, an der er stand. Ein kaum sichtbarer Pfad wand sich zwischen dem Rand des Weiden Wäldchens und dem erstarrten Lavastrom hindurch, der das Tal in zwei Hälften teilte. Wer das Talende erreichen wollte, war gezwungen, den Weg zwischen dieser Felsenklippe und den Weiden zu nehmen. Ty musste nur ruhig das Geschehen um sich beobachten.
Reglos und mit angespannten Muskeln wartete er - wie schon so oft.
Ich wünschte, Logan wäre hier. In solchen Augenblicken kann einem Mann der ungeschützte Rücken ganz schön kribbeln.
Aber Logan war mit Silver in Wyoming. Die letzte Nachricht über seine beiden anderen Brüder war gewesen, dass Case und Duncan mit Blue Wolf nach Gold schürften, um das verlorene Vermögen der MacKenzies wieder anzuhäufen und sich selbst eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Zumindest waren das Duncans Pläne. Gott oder der Teufel mochten wissen, was im Kopf von Case vorging. Seit er im Krieg gekämpft hatte, umgab seinen jüngeren Bruder eine Mauer des Schweigens.
Nach wenigen Minuten hörte Ty leise Schritte, die durch das hohe Gras näher kamen. Als sie die Weiden erreichten, sprang er lautlos aus seiner Deckung. Einen Arm hakte er von
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