Wildes Herz
Gefangenschaft ertragen. War es das, was ich dir versprechen sollte?“
„Nein“, antwortete sie. „Geben Sie mir das Versprechen, dass ich zuerst versuchen darf, ihn zu zähmen. Ich würde den Anblick nicht ertragen, wenn ein Lasso ihn niederzwingt und sein Wille mit Gewalt gebrochen wird.“
Er dachte an die unbändigen Kräfte, über die der Hengst verfügte, und an die Wucht seiner hart ausschlagenden Hufe. „Nein. Das ist viel zu gefährlich.“
Für einen langen Augenblick sah Janna in Tys Gesicht. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchteten seine Züge. Sie zeigten die gleiche Entschlossenheit, die auch in ihr war. Wortlos löste sie die Hand aus seinem Griff, warf den Regenumhang beiseite und begann, den Boden für das Nachtlager vorzubereiten. Während sie arbeitete, beobachtete Ty sie schweigend. Er fragte sich, an was sie dachte.
Schließlich hörte das Blitzen und Donnern auf. Nur ein dichter, stetiger Regen fiel. Ty blickte zu Janna herüber, die halb an die Felswand gelehnt dasaß. Im Dunkeln konnte er nicht sicher sagen, ob sie eingeschlafen war. Aber sie würde wohl schlafen.
„Janna?“ rief er leise.
Keine Antwort.
Er hüllte sich in den Regenumhang und trat aus dem Schutz des Felsendachs. Würde er mit seinen Brüdern draußen lagern, hätte er sich keine vier Meter entfernt, um die Blase zu entleeren. In Anbetracht der Umstände suchte er einen deutlich größeren Abstand.
Als er zurückkam, war Janna fort.
15. Kapitel
Sie schauderte im kalten Regen. Sie sehnte sich nach dem Schlafsack, den sie in ihrem Winterlager zurückgelassen hatte. Aber sie machte nirgends Halt, um vor dem strömenden Regen Schutz zu suchen. Solange es regnete, würden ihre Spuren weggewaschen. Außerdem lag eines ihrer Verstecke auf dem Black Plateau nur fünf Kilometer entfernt. Wenn der Morgen kam, würde sie warm und trocken in einem ihrer Schlupfwinkel schlafen, wo niemand sie finden konnte.
Nicht einmal Ty MacKenzie.
Endlich lösten die Wolken sich zu Nebelstreifen auf, die der Wind spielerisch umhertrieb. Sie begann zu wünschen, sie hätte Zebra mitgenommen. Aber sie hatte sich nicht überwinden können, Ty ohne Reitgelegenheit in einem Gebiet zurückzulassen, das vor abtrünnigen Indianern wimmelte. Bevor die Stute sich wieder Lucifers Herde anschloss, würde sie ihn zumindest bis zum Black Plateau mit seinen unzähligen verborgenen Canyons und geheimen Quellen bringen.
Janna bezweifelte nicht, dass Ty sich zum Hochplateau aufmachen würde, statt im Fort Schutz zu suchen. Er verließ diese Gegend nicht eher, bis er hatte, weswegen er gekommen war: Lucifer.
Der kalte Neumond spendete nur wenig Licht und noch weniger Trost, während Sie sich mit gleichmäßigen Schritten dem dunklen Massiv der Hochfläche näherte, das vor ihr aus der Ebene emporwuchs und den Blick auf die Sterne am Horizont verstellte. Sie erkannte den schwachen Umriss eines Felsentors, das sie Wind Gap nannte, und wandte sich nach Westen. Zwischen Gehen und Rennen abwechselnd, näherte sie sich dem Zufluchtsort in der Wildnis, der für sie ein Zuhause war.
In der tiefen Dunkelheit vor Anbruch der Dämmerung brauchte sie drei Versuche, um den Haufen aus zertrümmerten Felsblöcken zu finden, in dem sie eine Feldflasche, eine Decke, ein Messer und Streichhölzer versteckt hielt. Die Decke hatte Löcher vom Mäusefraß und
roch muffig, aber sie war trocken. Janna wickelte sich darin ein und füllte ihre Feldflasche an einer Felsmulde, die nach Regenschauern noch einige Zeit das Wasser speicherte.
Die Feldflasche und das Messer um die Hüfte gebunden und die trockenen Streichhölzer in der Hemdtasche, kletterte Janna weiter den Canyon hinauf, bis sie an die Stelle kam, wo frühere Wasserfluten herabstürzender Bäche die Canyonwand in Zimmergröße ausgehöhlt hatten. Heute erreichte das Wasser diese Höhle nicht mehr. Selbst bei höchsten Flutständen blieb sie trocken. Als Janna die letzte steile Felsstufe zu der nach Osten weisenden Felsöffnung erklomm, zitterte sie vor Hunger, Kälte und Erschöpfung.
Der Wind kam von Norden, so dass nur die heftigsten Böen sie trafen. Sehnsüchtig dachte sie an die heiße Quelle in ihrem Winterlager, an warme Sonne und an duftende Polster aus Pinonnadeln. Dann kam der Gedanke an Tys warmen, großen Körper, an die süße Empfindung, wie seine Brust gegen ihren Rücken rieb und seine Schenkel neben ihren lagen. Sie dachte daran, wie er sie mit den Armen warm und eisenhart
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