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Wildes Herz

Titel: Wildes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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vor seinem ungehorsamen Körper.
    Ty war verblüfft über die Wirkung, die sie auf ihn hatte. Früher war er nie hinter Frauen hergelaufen; das hatte er nicht nötig gehabt. Frauen umschwärmten ihn wie die Motten das Licht. Er nahm, was sie ihm boten, und schenkte ihnen dafür Vergnügen. Jungfrauen mied er, weil er beschlossen hatte, nicht eher zu heiraten, bis er sich seine Seidendame leisten konnte. Aus der Absicht, seine Freiheit zu behalten, hatte er nie ein Geheimnis gemacht; die Frauen kamen trotzdem und glaubten ihm nicht, oder es war ihnen gleichgültig.
    Aber keine ist vor mir weggelaufen. Im Gegenteil. Oft war ich derjenige, der sich retten musste!
    Kalter Wind wehte von den Felsenklüften des Hochplateaus zu ihm herunter und erinnerte ihn daran, wie elend Janna sich fühlen musste, allein zu Fuß unterwegs, ohne eine richtige Jacke und sicher völlig durchnässt. Er starrte wütend in den blassrosa Schein am Horizont, als wolle er der Morgendämmerung die Schuld an allem geben, was seit dem Moment schief gegangen war, als er den schwarzen Hengst fast gefangen hatte und sich stattdessen in Cascabels Gewalt wieder fand.
    Der Morgenhimmel wandelte sich von einem Zartrosa zu einem verwaschenen Blassblau. Die frühe Morgensonne wärmte kaum, doch als Zebra auf eine lang gestreckte Anhöhe zutrottete, war es hell genug, um zu erkennen, wo sie waren. Ty ließ die Stute kurz vor dem Grat anhalten. Er holte das neue Fernglas aus seinem Rucksack und blickte auf den Weg zurück, den sie gekommen waren. Nichts rührte sich, außer ein paar Raben, die wie schwarze Flecken durch die mor-genstille Luft flogen.
    Er drehte sich wieder um und spähte nach rechts und links. Wohin er auch sah, war alles gleich. Nichts rührte sich. Der erste Mensch auf Erden hätte nicht einsamer sein können.
    Zebra schnaubte und trat unwirsch von einem Bein auf das andere, ein Zeichen für Ty, dass sie weiterwollte.
    „Ruhig, Mädchen. Lass mir die Zeit, mich umzusehen.“
    In welche Richtung er seinen Blick auch lenkte, wirkte die Landschaft einschüchternd. Wer die nackten Bergkuppen, die Tafelberge mit ihren Zinnen, tief eingegrabene Canyons, lange Kammlinien und schroffe Klippen liebte, auf denen nicht das geringste Grün wuchs, konnte Schönheit darin erkennen. Die wenigen Pflanzen, die sich hier hielten, standen verstreut in der rauen Landschaft und ließen vielerorts den felsigen Untergrund durchscheinen. Vor dem tiefer werdenden Blau des Himmels begannen die Kuppen, Zinnen und Wände in allen Farben zu leuchten, von weiß über rosa zu rostrot und schwarz. In tieferen Lagen wuchsen an Hängen dunkelgrüne Wacholdersträuche, die wie lodernde Flammen vor der atemberaubenden Felsenkulisse standen.
    Den einzigen vertrauten Anblick für jemanden, der nicht westlich des Mississippi geboren war, bot das Black Plateau. Aus der Feme ähnelte der mächtige Block einem Berg, dessen oberer Teil zerstört war. Alles andere in dieser Ödnis, von den nackten roten und weißen Klippen bis zu den erstarrten schwarzen Lavaflüssen, war eine fremde Welt für Ty. Er erinnerte sich, wie ihn Erregung überkommen hatte und eine instinkthafte Ahnung von Gefahr, als er dieses Land zum ersten Mal gesehen hatte. Rau, schön und verlockend, voller Geheimnisse und Überraschungen. Es lag eine körperliche Bedrohung über ihm, und gleichzeitig zog es die Seele in seinen Bann.
    Stirnrunzelnd ließ Ty den Blick noch einmal über das Gelände schweifen, das er durchquert hatte, bewusst die Augen nicht fokussierend. Der alte Jägertrick sollte ihm helfen, Bewegungen in der weiten Landschaft zu erkennen, aber er entdeckte nichts Neues. Sollte Janna irgendwo hinter ihm sein, sah er sie nicht. Da er auch keine Abtrünnigen, Soldaten, Wildpferde oder Kaninchen fand, packte er das Fernglas wieder ein.
    „Auf, Mädchen. Los geht’s“, sagte er und gab Zebra die Sporen.

16. Kapitel
    Die Spur war vollständig erhalten und tauchte unverhofft auf wie ein Diamant in einer Schlammpfütze.
    „Halt, Zebra.“
    Ty hätte sich die Worte sparen können. Die Stute war bereits stehen geblieben und senkte ihre Nase auf die Fußspuren. Sie sog den Atem ein, stieß die Luft wieder aus und schnupperte noch einmal. Im Gegensatz zu Zebra war Ty nicht auf seinen Geruchssinn angewiesen. Er zweifelte keine Sekunde, dass die zierlichen Fußabdrücke von Janna stammten. Verblüffend war nur, dass die Spuren wie aus dem Nichts auftauchten und nach zehn Metern wieder verschwanden.
    Bruja.

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