Wildes Lied der Liebe
Holzpferdchen für ihn schnitzte.«
Trace antwortete nicht. Wenn Bridget etwas zu sagen hatte, war es klüger, sie ausreden zu lassen.
»Er vermisst es sehr, einen Mann im Haus zu haben«, fuhr sie fort, ohne den Blick von ihm abzuwenden, »doch ich hatte so große Angst davor, ihn in die Stadt gehen zu lassen. Ich könnte es nicht ertragen, ihn zu verlieren.«
»Es ist schon in Ordnung, Bridget«, erwiderte Trace, »ich hätte das Gespräch in Noahs Beisein nicht auf den Ausflug lenken dürfen. Es tut mir Leid.« Er stand inzwischen dicht vor ihr, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, auf sie zugegangen zu sein. Sie duftete nach grünem Gras und frischem Flusswasser, und Trace verspürte in ihrer Nähe eine eigentümliche Wehmut, teils Freude, teils Schmerz, deren Ursprung er nicht zu erforschen gedachte. »Ich halte es jedoch noch immer für falsch, den Jungen allzu sehr zu behüten. Mitch hätte es nicht so gewollt.«
Sie erwiderte nichts darauf, sondern sagte nur: »Du warst sehr freundlich zu Skye und Noah, und dafür möchte ich dir danken.«
Schweigend nickte er. Jede Antwort, die ihm in diesem Augenblick in den Sinn kam, hätte Bridget nur erneut zum Widerspruch gereizt. So blieben sie eine Weile nebeneinander stehen und hingen ihren Gedanken nach.
»Ich kümmere mich jetzt um Sis«, entschied Bridget schließlich und ging davon. Trace blickte ihr noch nach, als sie die Stute bereits abgesattelt und zum Grasen auf die Koppel gebracht hatte. Erst ein kräftiger Nasenstüber von Sentinel, der Trace beinahe zu Fall gebracht hätte, riss ihn schließlich aus seinen Gedanken.
Gus, der Ladenbesitzer, tauchte in der Abenddämmerung mit seinem Wagen am Flussufer auf, winkte fröhlich und begann, Kisten und Säcke abzuladen. Bridget lächelte ein wenig unsicher und ging auf den Fluss zu. Sie besaß kein Geld, um für die Vorräte zu bezahlen, und wollte keinesfalls bei Gus anschreiben lassen. Vermutlich würde sie während der Wintermonate darauf angewiesen sein, das Notwendigste auf Kredit einzukaufen, daher war es wichtig, im Augenblick keine Schulden zu machen.
Da Gus über einen unaussprechlichen Familiennamen verfügte, wurde dieser kaum je verwendet. Dieser Umstand brachte eine seltsame Vertraulichkeit mit sich, die anderenorts fehl am Platz gewesen wäre. »Gus«, rief Bridget übers Wasser, »was tust du denn da?«
»Ich liefere die Lebensmittel, Missus«, antwortete er. Sein Gesicht war so rund wie ein Teller, und seine Augen leuchteten in einem strahlenden Himmelblau. Mit dem langen weißen Bart ähnelte er ein wenig dem Weihnachtsmann. »Ich würde sie zu Ihnen hinübertragen, aber meine Schwester Berta bleibt nicht gern allein, wenn es dunkel ist. Ich muss schnell zu ihr zurückfahren.«
»Aber ich habe keine Vorräte bestellt«, rief Bridget verwirrt.
Gus stellte die letzte Kiste auf den steinigen Boden und stieg wieder auf den Kutschbock. Das Gefährt schwankte Besorgnis erregend, und Bridget hatte Mitleid mit dem angeschirrten Muli. Gus musste mindestens ebenso viel wiegen wie das Tier. »Ihr junger Mann hat das Geschäft gemacht. Gute Nacht, Missus.«
»Aber ...«
»Ich werde Berta Grüße von Ihnen bestellen«, rief Gus über die Schulter und machte sich winkend auf den Heimweg.
Nach dem Abendessen, das aus Brot und kaltem Hühnerfleisch bestand, machte sich Trace wieder daran, die gefällte Zeder zu zerkleinern. Er nahm eine Laterne mit hinaus in die Dunkelheit, die ihm das nötige Licht spendete. Skye hatte das Geschirr abgewaschen und den frisch gebadeten Noah in den Schlaf gesungen und saß nun am Tisch, den Kopf über ihr neues Buch gebeugt. Bridget hatte nicht vor, in den Wald zu gehen, da der Gedanke an eine Begegnung mit Trace sie zu sehr verstörte, und keinesfalls wollte sie Skye in ihrer Lektüre stören.
Bridget war nicht die Frau, die eine Arbeit unerledigt ließ, wenn sie etwas Zeit erübrigen konnte. Also setzte sie sich am Flussufer nieder, zog sich Schuhe und Strümpfe aus und band ihre Röcke in Kniehöhe zu einem dicken Knoten zusammen. Gleich darauf watete sie durch die Furt ans andere Ufer, um die Vorräte in die Hütte zu bringen. Sie würden sonst ohnehin nur gestohlen werden.
Dreimal überquerte Bridget den Primrose Creek, dann hatte sie die Lebensmittel in Sicherheit gebracht. Trace stand im Hof und beobachtete sie. Ein verbotener, aufregender Schauer durchlief Bridget, als sie sich ihrer nackten Beine bewusst wurde. Schnell, jedoch nicht schnell genug
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