Wildes Lied der Liebe
auch auf dem Fest sein«, stellte Caney fest und versuchte nicht einmal, ihre Begeisterung für einen Mann zu verbergen, den sie kaum kannte. Sie würde noch in Verruf geraten, wenn sie nicht aufpasste.
Sei du nur still, schalt sich Christy im Stillen, du selbst denkst doch an einen Mann und willst einen anderen heiraten. »Wen werden wir denn auf der Party antreffen?«, fragte sie.
»Jedermann«, antwortete Skye. Sie sah in ihrem hellblauen Taftkleid sehr erwachsen aus und hatte sich das Haar zu einem weichen Knoten aufgesteckt. Ihre braunen Augen glänzten vor Freude. Christy fragte sich, ob ihre junge Cousine wohl wirklich in Jake Vigil verliebt war und ob es sie verletzen würde, wenn er eine andere heiratete.
»Das schließt wohl auch Marshal Shaw ein«, bemerkte Caney ungefragt.
Christy bemühte sich, sie nicht zu beachten, doch das war bei einer Frau wie Caney Blue kein leichtes Unterfangen. Wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatte aufzufallen, gab es kein Entrinnen.
»Es stimmt, dass wohl die ganze Stadt dort sein wird«, erklärte Bridget, als Trace wieder auf den Kutschbock gestiegen war und die Bremse löste. »Wenn hier draußen ein Fest veranstaltet wird, sind für gewöhnlich alle Nachbarn willkommen, der Gouverneur ebenso wie die Damen aus dem Golden Garter Saloon.«
Nach einer halben Stunde Fahrt durch die mondbeschienenen Berge fand der Wagen der Qualtroughs seinen Platz neben etwa einem Dutzend anderer vor Jake Vigils prächtigem Haus. Selbst in Virginia hätte das Gebäude mit seinen großen Fenstern, der großzügigen Veranda und der riesigen Eingangstür Aufsehen erregt. Licht schimmerte durch die Scheiben, und Musik und die Stimmen fröhlicher Menschen drangen in die Nacht hinaus.
Christy atmete tief durch und versuchte, ihr inneres Gleichgewicht wiederherzustellen. Doch Caneys Bemerkung ließ ihr keine Buhe. Ich vermute, das feine Bett in Mr. Vigils Haus ist nachts mächtig kalt, wenn es nicht von Liebe gewärmt wird.
Liehe, dachte Christy geringschätzig und strich ihren Bock glatt, nachdem Trace ihr vom Wagen heruntergeholfen hatte. Ein überaus kapriziöses Gefühl bestenfalls, von den Göttern willkürlich wenigen Auserwählten verliehen. Was hatte es ihrer Mutter eingebracht, zwei Männer zu lieben, die sie schließlich beide auf verschieden Weise betrogen hatten? Nein, es hatte wirklich keinen Sinn, Hoffnungen in etwas so Zerbrechliches und Flüchtiges zu setzen.
Mit stolz erhobenem Kopf ging Christy auf das Licht und die Musik zu. Sie befand sich auf dem Weg in die strahlende Zukunft, die sie sich in den langen einsamen Nächten im Schlafsaal von St. Marthas für Megan und sich selbst erträumt hatte.
Das Innere des Hauses wirkte mehr als beeindruckend mit dem vergoldeten Stuck, den Marmorkaminen, erlesenen Möbeln und Spiegeln, die dem Schloss von Versailles alle Ehre gemacht hätten. Von der Decke hingen kristallene Kronleuchter, deren Kerzen mit jedem Luftzug sanft flackerten.
Jake Vigil begrüßte alle seine Gäste persönlich und hielt Christys Hand nur einen Augenblick länger als die ihrer Cousine Bridget fest. In seinen braunen Augen lag ein Ausdruck der Bewunderung und des Erstaunens, als hätte er keinerlei Sinn für die Pracht um sich herum, sondern würde sich nur auf Christys Anblick konzentrieren.
Für die Musik sorgten Malcolm Hicks und einige seiner Freunde. Offenbar spürte Mr. Hicks Caneys Blicke auf sich ruhen, denn er sah von seinem Instrument auf und schenkte ihr ein schüchternes Lächeln. Caney nahm dies als ein Zeichen und schickte sich sogleich an, Malcolm Hicks zu umgarnen.
Christy schreckte aus ihren Gedanken auf, als Mr. Vigil ihre Hand ergriff und sie sich auf den Arm legte.
»Sie möchten doch sicher eine Kleinigkeit essen«, sagte er. »Das Speisezimmer ist gleich hier.«
Eigentlich war Christy überhaupt nicht nach Essen zu Mute, zu sehr fürchtete sie, einen Baum zu betreten und Zachary zu begegnen - wann hatte sie eigentlich damit begonnen, ihn in Gedanken beim Vornamen zu nennen? Doch sie war fest entschlossen, an diesem Abend Fortschritte bezüglich der Ehe mit Mr. Vigil zu machen. Und wenn es erforderlich war zu essen, ohne hungrig zu sein, dann würde sie es tun.
»Dies ist ein prächtiges Haus«, erklärte sie. »Ich muss zugeben, dass ich überrascht war, eine solche Einrichtung an einem so abgelegenen Ort wie Primrose Creek vorzufinden.«
Jake betrachtete sie nur wohlwollend und führte sie zu einem großen Türbogen. Im
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